Der Preis des Verrats (German Edition)
ich weiß sehr gut mit einer Waffe umzugehen.“
„Caitlyn“, murmelte Reid. Ihre Unerschrockenheit beeindruckte ihn und ängstigte ihn zugleich zu Tode. Er spielte mit einer blonden Haarsträhne, die ihr aus der Haarspange gerutscht war. „Heute mitgezählt, habe ich noch vier Tage, bevor ich wieder offiziell im Dienst bin. Wenn du nach Hause zurückwillst, gut. Aber ich komme mit dir. Ich will nicht, dass du da draußen allein bist.“
30. KAPITEL
Vom Stall aus beobachtete Caitlyn, wie Reid mit dem Reporter sprach. Der Mann war dreist aus einem Übertragungswagen geklettert, der die Schotterstraße hinaufgefahren war. Obwohl sie nicht hören konnte, was Reid gerade sagte, hatte sie gesehen, wie er zu Beginn des Gesprächs seine Dienstmarke zückte. Reid trug Jeans, ein Flanellhemd und Wanderstiefel, seine Waffe steckte im Holster an der Hüfte.
Sie würde lügen, wenn sie behauptete, sie wäre nicht froh, ihn hier zu haben. Selbst wenn es nur für ein paar Tage war.
Caitlyn hatte auf ihr Schmerzmittel verzichtet, damit sie trotz der verletzten Hand ihr Auto vom District zurückfahren konnte. Reid war ihr in seinem Geländewagen gefolgt. Als sie angekommen waren, bot sich ihnen die Szene so, wie Caitlyn es vorhergesagt hatte. Etliche Reporter wanderten im Stall herum, und die verunsicherten Reittherapeuten hatten die Therapiestunden wegen der Störung verschoben. Reid hatte die Medienleute rasch nach draußen geleitet und sie ermahnt, hinter den Toren am Haupteingang der Farm zu bleiben. Caitlyn atmete erleichtert auf, als der Reporter, mit dem er in diesem Moment sprach, zurück in den Übertragungswagen stieg. Binnen weniger Momente vollführte das Fahrzeug eine scharfe Kehrtwende und verschwand die Straße hinunter.
Reid sah sie an, sein Blick war wachsam. Als ein Jugendlicher mit zotteligen Haaren auf sie zukam, drehte sie sich um.
„Die Pferde sollten heute Mittag gestriegelt werden.“ Aaron Fleming hielt eine Pferdebürste und eine Striegelbürste in der Hand. Er sprach monoton, seine Augen schienen förmlich am Boden festgeklebt zu sein. „Wir sollten lange, fegende Bewegungen machen, die der Richtung folgen, in die das Haar wächst. Es ist wichtig, auf einer Seite anzufangen und sich dann von vorne auf die andere Seite zu bewegen …“
Caitlyn hörte geduldig zu, als er sein einseitiges Gespräch über die verschiedenen Schritte beim Abbürsten eines Pferdesfortsetzte. Er zappelte beim Sprechen und trat ständig von einem Fuß auf den anderen.
„Du hast recht, Aaron, wir müssen langsam mit der Fellpflege anfangen. Vielleicht kannst du in der Zwischenzeit die Bürsten kontrollieren und sicherstellen, dass sie alle sauber und einsatzbereit sind?“
Er zuckte kaum merklich mit den Schultern, die Geste wirkte gleichgültig, aber Caitlyn wusste, er würde ihren Anweisungen peinlich genau folgen. „Was ist mit Ihrer Hand und Ihrem Gesicht passiert?“
„Ich bin hingefallen“, sagte sie einfach und ließ die Details aus.
„Das ist Aaron“, sagte sie zu Reid, der sich zu ihr gesellte, sobald der Teenager in Richtung Sattelkammer abschob. „Er hat das Asperger-Syndrom. Wir haben hier dienstags und donnerstags eine Gruppe mit solchen Kindern. Der Therapeut, der sich um sie kümmert, ist wirklich fantastisch. Er hat sich auf die Störung spezialisiert.“
„Und mit Pferden zu arbeiten hilft ihnen?“
„Sie bauen eine persönliche Beziehung zu den Tieren auf. Asperger-Kindern mangelt es oft an grundlegenden sozialen Fähigkeiten und sie können sehr verschlossen sein. Die Beschäftigungstherapie ist auch gut für die Stressbewältigung.“
Reid nickte nachdenklich. Er schien das rege Treiben auf dem Hof auf sich wirken zu lassen. Alle hatten angefangen, wieder zur Tagesordnung überzugehen, sobald sich der Medienzirkus verzogen hatte. Die Asperger-Gruppe versammelte sich um ein sanftmütiges, zobelfarbenes Pferd namens Romeo, streichelte es und fütterte es mit Apfelscheiben. Draußen auf dem Reitplatz zeigte ein Therapeut Kindern aus einem städtischen Sozialprogramm, wie man richtig auf ein Pferd auf- und dann wieder herunterstieg.
„Wie viele Pferde hast du?“, fragte Reid.
„Es gibt achtzehn Tiere, die wir in der Therapie einsetzen – mehr als die Hälfte von ihnen haben wir vor dem Schlachthof gerettet.“ Caitlyn verspürte einen Stich, als ihr klar wurde, dasssie ihre geliebte Aggie von der Gesamtzahl abgezogen hatte. Aggies Box stand leer, ihre Tür blieb geschlossen, und
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