Der Priester
Sittendezernats festsaß. Verdammt, mit dem Dreck hatte er sich seit Jahren nicht mehr herumschlagen müssen.
»Also gut.« Cassidy stellte sich wieder vor das Whiteboard. »Auch wenn der Typ zum Anbeißen aussehen soll, zu den wenigen Dingen, die wir dem Opfer gestern entlocken konnten, gehörte, dass der Angreifer sich offenbar auf offener Straße aus dem Nichts auf sie gestürzt hat. Sie sprach da nur von einem Mann, was darauf hindeutet, dass es sich um einen Fremden handelt. Das ist doch so weit richtig, oder, Inspector Mulcahy?«
Mulcahy hob überrascht den Blick, als er einbezogen wurde.
»Äh, ja …« Er stockte. »Das kann man so sagen. Wobei sich aus den wenigen Informationen, die uns das Opfer geben konnte, kaum feststellen lässt, ob sie ihn überhaupt richtig gesehen hat. Sie hat gesagt ›plötzlich war alles dunkel‹, also hat der Täter ihr womöglich etwas über den Kopf gestülpt. Auffallend war, wie unvermittelt und brutal dieser Überfall war. Es deutet nichts darauf hin, dass sie den Angreifer kannte.«
»So dass der Kerl, mit dem sie den ganzen Abend rumgeknutscht hat, eigentlich aus dem Schneider ist«, fuhr Cassidy fort, und mehrere Köpfe nickten zustimmend. »Ganz sicher ist das natürlich nicht. Also müssen wir ihn finden, und zwar schnell, Baby.«
»Vielleicht ist das so ein Fall, wo jemand nicht bekommen hat, was er wollte«, warf ein anderer ein.
»Ausgeschlossen ist das nicht.« Cassidy räusperte sich und deutete wieder auf die Akten aus dem Krankenhaus. »Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass die Ärzte wiederholt darauf hingewiesen haben, dass die Verbrennungen dem Opfer nicht mit einer offenen Flamme zugefügt wurden, sondern von einer flachen, aller Wahrscheinlichkeit nach rotglühenden Metalloberfläche stammen. Einem Brandeisen zum Beispiel oder etwas Ähnlichem.«
Ein paar Leute schnappten nach Luft, als diese Information langsam einsickerte.
»Die Spurensicherung wird uns natürlich noch weitere Details dazu nennen müssen, eins ist aber offensichtlich: Der Kerl muss eine Ausrüstung dabeigehabt haben, um dem Opfer solche Verletzungen zufügen zu können – zumindest eine Art Lötlampe und eine Metallstange oder so etwas, die er damit erhitzt hat. Das trägt in den frühen Morgenstunden nicht jeder Passant bei sich. Außerdem brauchte er etwas, um das Opfer zu fesseln. Das Mädchen hat schwere Blutergüsse und Hautabschürfungen an Händen und Füßen, war also vermutlich irgendwo angebunden. Wahrscheinlich mit Kabelbindern oder so. Das draußen hinzukriegen, wäre selbst um die Zeit nicht einfach. Und was ist mit den Schreien? Die Verletzungen sind so schwer, dass das Mädchen unmöglich still gewesen sein kann, als sie ihr zugefügt wurden. Es gibt aber auch keine Anzeichen dafür, dass sie geknebelt war. Daher ist es von größter Wichtigkeit, den genauen Ort zu bestimmen, an dem der Überfall stattgefunden hat. Vielleicht finden die Kollegen von der Spurensicherung ja was. Im Prinzip läuft es jedoch darauf hinaus, dass es kein spontaner Überfall war, wo jemand einer Frau begegnet ist und sie ins Gebüsch gezerrt hat. Alles deutet darauf hin, dass der Angriff sorgfältig im Voraus geplant wurde und allenfalls das Opfer zufällig gewählt worden ist.«
Brogan stand auf und trat von ihrem Schreibtisch wieder in die Mitte.
»Danke, Andy. Also, abgesehen vom Sichten der Aufnahmen der Überwachungskameras und der Suche nach dem Burschen, mit dem sie den Club verlassen hat, müssen wir auch dringend eine Haustürbefragung an der Kilmacud Road durchführen. Ein so brutaler Angriff … da muss irgendjemand etwas gesehen oder gehört haben. Donagh, organisier du das mit Hilfe der beiden Kollegen aus Dundrum. Der Revierleiter hat uns für heute und morgen ein paar zusätzliche Beamte versprochen, setzt die also sinnvoll ein. Aber nicht vergessen – es dürfen keine Details bekannt werden, das gilt ganz besonders für die Nationalität des Opfers. Wir ermitteln wegen eines ›scheußlichen Überfalls auf eine junge Frau‹. Weiter sagen wir nichts dazu. Alles klar? Irgendwelche Fragen?«
Offenbar hatte sie nicht mit Fragen gerechnet, daher sah sie den kaum zwanzig Jahre jungen, dünnen Streifenpolizisten mit dem karottenfarbenen Schopf, der die Hand gehoben hatte, mit einem etwas erzwungen geduldigen Blick an.
»Wurde das Mädchen denn vergewaltigt?«, fragte der Uniformierte ziemlich unsicher unter den vielen Detectives von der Kriminalpolizei.
»Wie lange
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