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Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Titel: Der Prinz der Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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meist im Schutz der Dunkelheit zuschlugen, obwohl sie sich doch praktisch unsichtbar machen konnten. Also stand Lizet nun schon seit Stunden auf der Galerie und spähte vergeblich in dunkle Ecken. Er fragte sich, ob das nicht Zeitverschwendung war. Man hätte Merson verhaften können, Gremm ebenso. Unter der Folter hätten sie schon geredet, vor allem Gremm. Und vielleicht hätte Gremm dann auch verraten, wo sein Neffe Viltor steckte. Es war das erste Mal, dass Lizet an die Möglichkeit des » peinlichen Verhörs « nicht mit Abscheu dachte. Aber Gremm saß dort unten, als unbescholtener Hoher Rat der Stadt, der sich zu langweilen schien.
    Im Augenblick sprach Rat Varos, er argumentierte lang und breit über die Vorteile für den Prinzen, wenn er sich auf den Handel Erz gegen Schiffe einließe.
    Lizet prüfte noch einmal seine Armbrust. Sie war geladen und schussbereit. » Wie steht es mit Eurer Waffe, Bruder Melid? « , fragte er leise.
    » Wie? Ach, ich glaube, gut. «
    » Und Ihr seid sicher, dass Ihr wisst, wie man die Armbrust bedient? «
    » Oh, ja, ich habe viel darüber gelesen. «
    » Wunderbar « , murmelte Lizet. Er war ernsthaft besorgt, dass einer der Scholaren sich selbst oder, schlimmer, ihn verletzen könnte. Er hätte es viel lieber gesehen, wenn man die Armbrüste und die Steine einigen handverlesenen Wächtern gegeben hätte, aber die Ghula hatte das nicht zugelassen. Und nun sollte er also mit diesen Scholaren, die die beiden Enden einer Armbrust nur mit Mühe auseinanderhalten konnten, einen Schatten fangen.
    » Vielleicht schrecken ihn die vielen Wachen draußen ab « , meinte Melid.
    » Möglich « , erwiderte Lizet, » aber hätten wir weniger Leute aufgestellt, würde ihn das vielleicht erst recht misstrauisch machen. «
    Rat Varos war mit seinen Ausführungen zu Ende. Nun erhob sich der erste Berater des Prinzen, der die Vorteile nicht sehen wollte und Silber statt Erz bot.
    » Aber wenn er uns sieht, hier auf der Galerie … «
    » Dann sehen wir ihn auch. Noch einmal, Bruder Melid – er kann nur durch eine der vier Türen in diesen Saal gelangen, die Vordertür wird er meiden, denn dort sind die Wachen am stärksten. Ich an seiner Stelle würde es auch nicht von hinten versuchen, denn das würde einen langen und gefährlichen Umweg erfordern, bleiben also die Seitentüren. Und von denen habe ich eine verriegeln lassen. «
    » Ich nehme an, Ihr erwartet ihn dort drüben, da Ihr diese Pforte nicht aus dem Auge lasst? «
    » So ist es. Aber natürlich kann es sein, dass er gar nicht erscheint, dass er es draußen versucht oder morgen. Wer weiß schon, was in so einem Schatten vorgeht. «
    Er bekam keine Antwort. Melid schien regelrecht erstarrt zu sein. » Dort « , flüsterte er, » dort! «
    Er zeigte auf die breite Hauptpforte. Rasch setzte sich Lizet das Okular wieder ans Auge. Erst erkannte er nur graue Schleier, aber dann sah er ihn, nein, er sah die Aura des Schattens. Ein hellgrau bis dunkelgrau changierendes Flackern, matt, eine kaum merkliche Verdunklung zwischen den Leuchtern.
    Er riss die Armbrust hoch und versuchte, durch das Okular zu zielen. Das ungewisse Flackern bewegte sich langsam, so langsam, dass nicht einmal die Flammen der nahen Kerzen zitterten. Wo wollte der Schatten hin? Lizet erkannte, dass im Augenblick der Berater zwischen dem Schatten und dem Prinzen stand. Merson konnte also nicht schießen oder was immer er vorhatte.
    Lizet folgte der langsamen Bewegung, bis er seiner Sache sicher war. Dann drückte er ab. Das scharfe Sirren der Sehne durchschnitt den Raum. Das Flackern dort unten blitzte bleich auf, das Kerzenlicht zitterte, und plötzlich war der Schatten drei Schritte weiter links. Er hatte ihn verfehlt! Der Mann war einem fliegenden Armbrustbolzen ausgewichen!
    » Aufgepasst! Der Schatten! « , schrie Lizet und lud nach. » So schießt doch endlich! « , herrschte er den regungslos stehenden Melid an. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde unten im Saal eine schwarzgekleidete Gestalt sichtbar. Sie schleuderte zwei Wurfmesser und löste sich wieder in Luft auf, während die Klingen noch flogen. Sie zischten mit tödlicher Präzision durch den Raum – und bohrten sich in den Leib eines Oramarers, der sich im letzten Augenblick vor den Prinzen geworfen hatte.
    Lizet hörte über den entsetzten Rufen der Männer dort unten endlich das Klicken der Abzüge, das Sirren der Sehnen, und er sah die Bolzen durch die Luft zischen. Der Schatten tanzte. Er wich aus,

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