Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
Haar flatterte im Wind. Es verdeckte das Gesicht des Mannes, an dessen Schulter sie den Kopf gelegt hatte. Vils Hand fuhr zum Griff seines Messers.
Es war ein Soldat, unverkennbar, er trug das Wams und den Harnisch der Hafengarnison, ein Offizier vielleicht.
Er spürte eine große Lust, einfach da hinüberzugehen, seine Schwester zu packen und nach Hause zu schleifen. Wie konnte sie es wagen, ihn derart zu hintergehen? Aber er blieb stehen. Er kochte vor Wut, und etwas in ihm warnte ihn, dass er sich vielleicht nicht unter Kontrolle haben würde, wenn er jetzt dort hinüberging. Ein falsches Wort, und am Ende würde er vielleicht diesem unverschämten Kerl sein Messer in den Wanst rammen. Er blieb einfach stehen, ballte die Fäuste und wusste nicht, was er tun sollte.
Der Soldat beugte sich zu seiner Schwester hinab und küsste sie. Es war Carem Halfar, der Schuhmacherjunge und ehemalige Gehilfe. Er hatte dem Jungen Arbeit gegeben, und wie dankte er es ihm? Vil drehte sich um und marschierte nach Hause. Es war die einzige Möglichkeit, einen Mord zu verhindern.
Seine Schwester kam zwei Stunden nach ihm nach Hause.
» Hallo? Jemand zu Hause? « , fragte sie, als sie in die Diele trat.
Niemand antwortete. Sie kam in die Stube und wurde blass, als sie Vil dort sitzen sah.
» Ich habe der Köchin und dem Hausdiener freigegeben « , begann er. » Sie sollten nicht hören, was wir zu besprechen haben. «
Tiuri zuckte nicht einmal. » Wer hat es dir gesagt? « , fragte sie. » Peker? «
Pek wusste Bescheid? Vils kalte Wut schwoll an. » Wie lange hintergehst du mich schon? « , presste er hervor.
» Eine Weile « , gab sie patzig zurück.
Er sprang auf und machte zwei schnelle Schritte auf sie zu, holte aus, aber dann blieb er mit erhobener Hand stehen. Nein, er wollte seine Schwester nicht schlagen.
Sie wich einen Schritt zurück und funkelte ihn trotzig an. » Es ist meine Sache, mit wem ich mich treffe! «
» Du bist meine Schwester, also ist es auch meine Sache. Zumal du offenbar so dumm bist, dich mit einem Schusterjungen einzulassen! «
» Carem ist Fähnrich in der Garnison. Und bald wird er Leutnant! «
» Du wirst ihn nicht wiedersehen! «
» Dann musst du mich einsperren. Ich liebe ihn nämlich, und er mich! «
» Liebe? Bist du völlig verrückt geworden? Hast du vergessen, wer du bist? Du bist eine Merson und eine Gremm, und du wirst einen Mann wählen, der zu unserer Familie passt. «
Sie starrte ihn an. Dann fing sie an zu lachen. » Ich bin für die Leute eine Malakin, und wir beide wissen, was das Wort bedeutet. Ein Leutnant ist eine Verbesserung für eine Ratte, die von der Halde kommt. «
» Tiuri, du weißt, was ich meine! «
» Ich weiß es nicht, Vil. Ich weiß überhaupt nichts mehr von dir. Halt, das stimmt nicht, du triffst dich mit Skari, einer Gesegneten, nicht wahr? Wie passt das denn zu den edlen Mersons und Gremms? «
» Das ist etwas anderes, und das weißt du! «
» Ja, ich weiß, dass du es nicht ehrlich mit ihr meinst. Du machst sie unglücklich, Vil, aber Carem, er macht mich glücklich, er meint es ehrlich, und ich werde ihn wiedersehen – und heiraten, ob es dir passt oder nicht! «
Vil trat noch einen Schritt näher an sie heran, aber sie wich nicht zurück. Und obwohl sie mit ihren dunklen Haaren und Augen ihrer Mutter so überhaupt nicht ähnlich sah, fand er, dass sie ihr in ihrer Unbeugsamkeit nie ähnlicher gesehen hatte.
» Was ist, Vil? Sind dir die Worte ausgegangen? «
Er blitzte sie zornig an. » Wir reden später darüber « , fauchte er, aber ja, sie hatte recht, ihm waren die Worte ausgegangen.
Dafür sperrte er Tiuri ein. Und während sie wütend und schreiend gegen die Tür hämmerte, verbot er der Köchin und dem Diener, die später schüchtern Fragen stellten, unter Androhung der schlimmsten Konsequenzen, sie ohne seine Erlaubnis aus der Kammer zu lassen.
Eine Woche darauf meldete Gibean, dass Menher Montes die zehntausendste Krone auf Kredit verspielt hatte. » Ich habe immer noch nicht verstanden, warum du es hast so weit kommen lassen, Vil. «
» Heute? « , fragte Vil stirnrunzelnd. Er war mit seinen Gedanken gerade an einem ganz anderen Ort, einem Haus im Nordviertel der Stadt, das er später noch besuchen musste. Es war ihm nämlich gelungen herauszufinden, welcher der Obersten Tilama verstümmelt hatte. Doma Massali kannte die Männer dieser Stadt, jedenfalls die, die das Bamaal besuchten. Und da die Offiziere der Geheimen Wacht nicht
Weitere Kostenlose Bücher