Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
wurden über den Haufen gerannt und niedergetrampelt. Die Wachen zogen ihre Waffen und versuchten, die Leute zurückzutreiben.
Er achtete kaum darauf, seine Augen suchten einzig und allein nach Ajeler. Da! Endlich! Der Kämmerer sprang auf den Wagen, hob die Arme und brüllte gegen den Lärm an.
Vil verstand kein Wort, aber irgendwie schien die Geste zu wirken: Menschen, die eben noch nach vorn gedrängt hatten, blieben nun stehen, schienen lauschen zu wollen, was der Mann auf dem Wagen zu sagen hatte.
Vil legte die Armbrust an, zielte und schoss. Und er sah mit grimmiger Klarheit, wie der Bolzen durch die Luft schnitt und dem Kämmerer, der immer noch die Arme in beruhigender Geste gehoben hatte, in den Hals fuhr. Ajeler taumelte einen Schritt zur Seite, hielt die Hände weiter erhoben, als wolle er die Menge segnen, drehte sich halb um die eigene Achse und stürzte vom Wagen. Ein hundertfacher Aufschrei war die Folge.
Vil ließ die Armbrust fallen und rannte. Er sprang die Treppe hinab und stürzte mit Elgos aus dem Haus.
Elgos nahm ihm das Bündel mit den Feuerbomben ab und schleuderte die erste in die Ruine, die sie gerade verließen. Wieder ertönte das böse Fauchen. Sie durchquerten das zweite Haus, rannten ins Freie und quetschten sich zwischen zwei Häusern hindurch. Der Lärm vom Platz verfolgte sie.
» Da sind sie! « , rief plötzlich irgendjemand. » Ihnen nach! «
Sie waren schnell, das musste Vil zugeben. Sester drehte sich um und schleuderte ihren Verfolgern die letzte Feuerbombe vor die Füße.
Dann öffnete sich vor ihnen der Boden. Sie hatten den Hohlweg erreicht. Sie sprangen hinab und rannten weiter, bis die Katakomben der Arena sie verschluckten.
Unter anderen Umständen wäre Lizet froh gewesen, für eine Weile den Folterkellern der Geheimen Wacht entronnen zu sein: Die endlosen Verhöre, die Schreie der Gefangenen, die meist unbescholtene Bürger waren, das alles setzte ihm von Tag zu Tag mehr zu. Er schlief schlecht und hätte lieber heute als morgen die Wache verlassen. Aber die Zeiten waren kritisch, und er kannte seine Pflicht.
Das Erste, was ihm jetzt auffiel, war die beklemmende Stille zwischen den Ruinen unter dem wolkenverhangenen Herbsthimmel. Wachen sicherten die Gassen, eine Handvoll Priester und Scholaren kümmerte sich um die Menschen, die bei der Panik niedergetrampelt worden waren, aber all das geschah leise, ein jeder schien bemüht, nur nicht durch ein lautes Wort die gespenstische Ruhe zu durchbrechen.
Einige Kauffahrer standen schweigend an dem umgestürzten Wagen, vor dem ein grauer Mantel einen Körper deckte. Esrahil Gremm war unter ihnen. Er sah verstört aus.
Lizet würde sich später um ihn kümmern. Er gab seinen Leuten Befehl, auszuschwärmen und Zeugen zu befragen. » Nur befragen, Leutnant Nevian, es wird niemand verhaftet, niemand bedroht, verstanden? «
Der Leutnant nickte, vermutlich war die Ermahnung überflüssig. Selbst dieser Dummkopf schien den Ernst der Lage begriffen zu haben.
Lizet umrundete den Platz, besah sich die rußgeschwärzten Ruinen mit ihren leeren Fensterhöhlen und fand, dass es wirklich ein idealer Ort für einen Hinterhalt war. Er ging zum Opfer, hob einen Zipfel des Mantels an und sah Ajeler lange ins Gesicht. Augen und Mund standen weit offen. Der Bolzen hatte den Hals durchbohrt und wenigstens eine der Schlagadern durchtrennt, so dass der Kammerherr in einer sehr großen Lache seines eigenen Blutes gestorben war. Fußspuren hatten sich darin abgedrückt und dann über dem Platz verteilt, rote Abdrücke auf dunklem Pflaster, schon verwischt und kaum noch zu erkennen.
» Sieh an, die Gespenster trauen sich am hellen Tag hier herunter « , rief ihm ein Hauptmann höhnisch zu.
Lizet erinnerte sich an den Mann: ein Trinker, aber keinesfalls unfähig. » Ich grüße Euch ebenfalls, Hauptmann Meres « , antwortete er freundlich.
» Ah, Lizet, Ihr seid es! Verzeiht, ich hatte Euch in dieser grauen Kluft nicht gleich erkannt. «
» Ihr versteht sicher, dass sich die Geheime Wacht in diesen Fall einschaltet, oder? Gut. Könnt Ihr mir sagen, was geschehen ist? «
Meres kratzte sich am Hinterkopf. » Der Kämmerer wurde durch einen Armbrustbolzen getötet. Das hier ist die Armbrust, wir fanden sie dort, im oberen Stockwerk. Vor dem Anschlag war dort drüben ein Feuer ausgebrochen, was eine Panik ausgelöst hat. Und als Ajeler die Menge beruhigen wollte, wurde er erschossen. Meine Leute haben zwei Verdächtige verfolgt, die aber in
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