Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
das nicht zulassen!
Am nächsten Tag nahm er Tiuri nach dem kargen Reis-Frühstück zur Seite. » Gibt es Neues von Mutter? « , fragte sie.
» Nein, aber Sed sagte, dass heute die Anwerber kommen. «
» Ich weiß. Er hat mir das erzählt. Ich will aber nicht, dass er geht. «
» Er wird versuchen, dich auch hier herauszuholen « , behauptete Vil.
Seine Schwester sah ihn kritisch an. » Von der Galeere aus? Wie soll das gehen? «
» Nein, danach. «
» Aber das ist erst in drei Jahren! Und er kann sterben. Viele sterben auf den Galeeren. Ich will nicht, dass er geht! «
» Ich auch nicht, aber, Tiri, ich werde mich selbst bewerben. «
Seine Schwester starrte ihn mit offenem Mund an. Tränen füllten ihre großen Augen.
» Ich lasse mich anwerben, aber dann werde ich fliehen, komme zurück und hole dich hier heraus. «
» Du kannst nicht gehen, Vil. Dann bin ich ja ganz allein! «
» Nur kurz, ich bin im Handumdrehen wieder da. «
» Und Mutter? «
» Die nehmen wir mit. Wenn sie erst einmal hier heraus ist, geht es ihr bestimmt schnell besser. «
» Aber ich will nicht, dass du gehst, dass Sed geht, niemand soll gehen! «
» Tiri, vertrau mir. Ich bin so schnell zurück, dass du gar nicht merkst, dass ich fort war. «
» Dann geh doch! « , rief sie und lief weinend davon.
Die Werber kamen am Nachmittag, drei übellaunige Männer, die die acht Jungen, die so verzweifelt waren, dass sie darauf hofften, Rudersklave zu werden, behandelten wie Dreck. Sie untersuchten ihre Zähne, befühlten Arme und Beine und schickten die ersten gleich wieder zurück. Dann kam die Reihe an Sed. Er wurde beäugt, befühlt, und schließlich, nach kurzer Beratung, verkündete einer: » Der da, für die Eisen. «
Eisen? Vil wurde klar, dass er etwas nicht bedacht hatte: Die Ruderer auf den Galeeren waren Sträflinge – und die lagen in Ketten. Seine Gedanken rasten. In Eisen geschmiedet konnte er seiner Schwester natürlich nicht helfen, aber bevor er wusste, was er tun sollte, war die Reihe an ihm.
Der Werber musterte ihn kurz, schüttelte den Kopf und sagte: » Zu klein. Nächstes Jahr vielleicht. «
» Aber … «
» Jetzt verschwinde, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. «
Verwirrt stolperte Vil aus der Reihe der Anwärter. War das nun Glück oder Unglück? Sed! Er fuhr herum und konnte gerade noch sehen, wie Sed von zwei Wächtern nach draußen geführt wurde. Das Tor zur Welt öffnete sich, und Vil hörte einen Schmiedehammer dünn herüberklingen.
Sed drehte sich noch einmal um, hob den Arm zum Gruß, aber der Wächter schob ihn grob weiter. Dann schloss sich das Tor wieder, und Vil verlor den Freund aus den Augen. Sie hatten sich nicht einmal richtig voneinander verabschieden können.
Als er niedergeschlagen zu Seds kleiner Höhle ging, erlebte er eine unangenehme Überraschung – Seds Vater hatte sie in Beschlag genommen. » Ist besser als meine « , meinte er lapidar, als Vil ihn fragte.
» Es sind Sachen darin, die Sed mir überlassen hat, Menher. « Vil dachte vor allem an das halbe Messer.
» Mir hat er nichts gesagt, Kleiner, also gilt hier das Erbrecht – das heißt, es gehört alles mir. «
» Aber Sed ist nicht tot, er ist nur fort. «
» Wenn er auf die Galeere geht, ist er so gut wie tot. Außerdem, für mich ist er schon lange gestorben, seit dem Tag, an dem er mich hierherbrachte. «
Wieder musste Vil die Nacht in dem kleinen Loch verbringen, das er nun schon des Öfteren genutzt hatte.
Sed fehlte ihm, und wie er bald feststellte, fehlte er ihm von Tag zu Tag mehr. Er vermisste seine spöttischen Bemerkungen, er vermisste es, dass der Freund nur zusah, wenn er sich abrackerte, weil er eben der Meinung war, dass es ihn nichts anging. Und er vermisste ihn, weil er nun niemanden mehr hatte, mit dem er reden konnte.
Gleichzeitig wuchs seine Sorge, dass Sed eben doch recht gehabt hatte, was seine Schwester betraf. Es gab keine Mädchen in der Halde, die älter als vierzehn oder fünfzehn waren, das war nicht zu leugnen. Aber nun war niemand mehr da, mit dem er über seinen Verdacht reden konnte – außer Tiuri selbst.
Er begann, sie vorsichtig auszufragen, und als sie von den Seifen erzählte, die der Eisenkönig für sie besorgt hatte, den bunten Bändern für ihr Haar, und dass sie vielleicht sogar bald im Waschzuber der Geffais baden dürfe, da wusste er, dass er etwas unternehmen musste.
Er arbeitete weiter für Semer Geffai, was blieb ihm auch anderes übrig? Doch begann er,
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