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Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Titel: Der Prinz der Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Ein Stein knirschte unter seinem Fuß. Der Schläfer wurde halb wach, langte zärtlich nach Vils Bein, murmelte etwas von einer » Süßen « und schlief wieder ein. Das Bein ließ er jedoch nicht los.
    Vil blieb starr vor Schreck stehen. Dann fluchte er und hielt dem Schläfer die Ratte vor die Nase. Der schnaubte missbilligend im Schlaf, ließ das Bein los und rollte sich zur Seite.
    Erleichtert schlich Vil weiter. Er nahm eine Kerze vom schief zusammengenagelten Tresen, wagte aber noch nicht, sie zu entzünden. Endlich erreichte er sein Ziel. Das Kerzenlicht flammte auf und zeigte ihm die Destille des Brenners. Er fand es immer noch erstaunlich, welche Vielzahl an Geräten die Wachen ihm besorgt hatten, nur damit er für sie Schnaps brannte. Er suchte den Kessel mit der Maische und öffnete ihn vorsichtig. Der süß-faulige Geruch, der ihm entgegenschlug, war kaum besser als der seiner toten Ratte.
    Vil zögerte. Er hatte keine Ahnung, was seine Tat bewirken würde. Vielleicht würden es die Trinker nicht einmal merken, vielleicht aber würde auch jemand daran sterben. Er schloss die Augen, schickte ein Gebet zu den Himmeln, dass es nicht seine Mutter sein möge, und ließ die Ratte in die Maische fallen.
    Er schlich zurück, musste noch einmal umkehren, weil er die Kerze vergessen hatte, aber dann war er der Schänke entronnen. Jetzt musste er nur noch abwarten, was geschah.
    Es geschah gar nichts, vorerst, was, wie Vil sich sagte, daran liegen musste, dass es noch einen gewissen Vorrat gab. Dieser Vorrat reichte offenbar für den ersten und auch für den zweiten Tag nach Vils kleinem Anschlag. Dann bekam er mit – er richtete es ein, meist in Sichtweite der Höhle zu arbeiten –, dass sich die ersten Gäste über den seltsamen Geschmack des Fusels beschwerten. Der Brenner probierte selbst und erklärte, leichte Variationen seien ein Zeichen von Qualität. Am Abend kotzte der erste Gast dem Brenner vor den Tresen. Er wurde ausgelacht, aber bald darauf erwischte es den zweiten, schließlich einen dritten, am Ende den Brenner selbst. Sie krochen über den Boden, kotzten sich die Seele aus dem Leib und wanden sich in Krämpfen.
    Vil konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Brenner raffte sich irgendwann auf und verschwand in Richtung seiner Destille. Vil hörte ihn bis hinaus in die Halde fluchen. Hatte er die Ratte entdeckt? Wenn er aber daraus irgendwelche Schlüsse zog, behielt er sie vorerst für sich, denn er kam nicht wieder nach vorn, wo sich seine leidende, fluchende Kundschaft im eigenen Erbrochenen wälzte.
    Dann erschien Vils Mutter in der Tür des ehemaligen Lagers. Sie kroch auf allen vieren und übergab sich.
    Vils Grinsen erlosch. Er hatte zwar irgendwie damit gerechnet, dass das geschehen würde, aber es war eine Sache, etwas zu planen, und eine ganz andere, dann das furchtbare Ergebnis zu sehen. Da er keine Ahnung hatte, was er nun machen sollte, holte er Tiuri zu Hilfe.
    » Was ist denn passiert? « , fragte seine Schwester.
    Vil flüsterte ihr zu, was er getan hatte.
    » Aber warum? «
    » Wenn es keinen Schnaps mehr gibt, dann kann sie sich auch nicht mehr betrinken. So einfach ist das. «
    » Ich weiß nicht, ob das so einfach ist « , sagte seine kleine Schwester, und dann schickte sie ihn frisches Wasser holen. Sie führten ihre Mutter zurück in das Lager, weil sie beide keinen anderen Platz wussten. Tiuri nahm ein halbwegs sauberes Tuch und begann, ihre Mutter, die kaum bei Bewusstsein war, zu waschen.
    Vil sah zu. Seine kleine Schwester, noch keine zwölf Jahre alt, wusch seine Mutter. Wie erwachsen sie dabei wirkte! Ob es bei ihm ähnlich war? Wie lange waren sie jetzt hier? Er hätte es nicht einmal genau sagen können. Ein halbes Jahr? Ja, sie waren im Frühling verbannt worden, nun war es schon lange Herbst. Sechs Monate, vielleicht sieben, aber sie kamen ihm wie Jahre vor.
    Irgendwann zwischen den furchtbaren Krämpfen, die sie schüttelten, kam ihre Mutter wieder halbwegs zu sich. Sie erkannte ihre Kinder, nannte sie bei ihren richtigen Namen, und dann blickte sie in die Wasserschale, in der sich ihr eigenes Bild spiegelte.
    » Bei den Himmeln « , stieß sie hervor und wich entsetzt zurück.
    » Es ist schon gut, Mutter « , versuchte Tiuri sie zu beruhigen.
    » Aber Tiri, nichts ist gut, gar nichts « , lautete die Antwort, und wieder musste die Mutter sich übergeben. Tiuri machte es sauber.
    Irgendwann, viel später in dieser Nacht, nahm Rohana Merson ihre beiden Kinder in

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