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Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Titel: Der Prinz der Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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besonders lange Nägel beiseitezulegen für die Waffe, die er vielleicht schon bald brauchen würde. Vielleicht kam er hier nicht heraus, aber er würde seine Schwester mit seinem Leben verteidigen.
    Tiuri merkte bald, dass etwas nicht stimmte.
    » Es ist wegen Mutter « , behauptete er. » Es wird immer schlimmer. « Das war nicht gelogen, und seine kleine Schwester spendete ihm Trost, aber sie sah ihn an, als würde sie ihm nicht glauben.
    Er versuchte, mit seiner Mutter zu sprechen, doch war sie in einem Zustand, der dies unmöglich machte. Vil hatte auch oben, in seinem alten Leben, schon Betrunkene erlebt, aber noch nie jemanden, der sich so lange in einem so furchtbaren Zustand befand. Sie war abgemagert, verschmutzt, nichts war mehr von der stolzen, unnahbaren Rohana Merson übrig, und sie nannte ihn entweder ihren Prinzen, oder, was schlimmer war, redete ihn mit dem Namen seines Bruders an. Es war unerträglich.
    Seds Vater, Stammgast in der Höhle des Brenners, schien sich eines Abends besonders auf Vils Kosten amüsieren zu wollen: » Wirst schon sehen, Kleiner, wenn der Brenner sie satthat, wird er sie freigeben – für jeden, der nur genug zahlen kann. «
    Vil ballte die Faust um eine Latte, die er gerade erst aufgesammelt hatte. Der Einarmige grinste ihn frech an. » Das ist der Lauf der Welt, Kleiner. Geboren als Dame von Stand, wird sie enden als Hure, die für ein paar Nägel und Bretter den Bes… «
    Er kam nicht weiter, denn Vil zog ihm die Latte quer übers Gesicht.
    Der Mann heulte auf, hielt sich die Hand vor das Gesicht, und so war sein Unterleib ungedeckt, als Vil ihm die Holzlatte in die Eingeweide rammte, und als sein Gegner auf dem Boden lag, stürzte er sich auf ihn und trommelte mit bloßen Fäusten auf ihn ein, bis ihn jemand von dem Wehrlosen herunterzerrte.
    » Gib Ruhe, Kleiner, der ist doch schon erledigt. « Es war der Brenner.
    Vil riss sich los. » Ich weiß, was hier gespielt wird! « , zischte er.
    » Tatsächlich? «
    » Ich geh zur Wache! Niemals wird der Eisenkönig meine Schwester … «
    Der Brenner legte ihm die Hand schwer auf die Schulter. » Weißt du denn nicht, dass die Wache kräftig an unseren Geschäften mitverdient? Jedes Mal, wenn Geffai mit einem Mädchen durch dieses Tor da oben geht, wird der Geldbeutel des alten Triefauges ein wenig schwerer. «
    Jetzt war es also endlich heraus. » Ihr habt mich belogen! « , zischte Vil.
    » Nur zu deinem Besten und weil mir was an deiner Mutter liegt. Der Eisenkönig ist weder ein einarmiger Schwächling, noch eine halb verhungerte Ratte, mit ihm wirst du nicht so leicht fertig wie mit dem da. Er bricht dir mit einer Hand das Genick, wenn er will. Wenn du dich ihm in den Weg stellst, wird es böse für dich enden. «
    » Das ist mir egal! «
    » Ist auch deine Sache. Geh, versuche den Eisenkönig aufzuhalten und lass dich umbringen – von ihm, oder von den Wachen. Ich bin sicher, deine Schwester und deine Mutter werden sehr erfreut sein. «
    Einen Tag später fand Vil eine tote Ratte. Sie war wohl von irgendetwas erschlagen worden, das die Werftarbeiter herabgeworfen hatten, und das schien schon einige Tage her zu sein, denn ihr Kadaver, eingeklemmt in eine Bodenritze, stank fürchterlich und wurde von unzähligen Fliegen umschwärmt.
    Plötzlich sah Vil in kristallener Klarheit, was er zu tun hatte. Er zog die Ratte an ihrem Schwanz vorsichtig aus dem Spalt. Offenbar hatten ihre Artgenossen schon an ihr genagt, aber das war ihm egal. Er trug sie zu seinem kleinen Wohnloch und versteckte sie dort, wo er sie mit Holz und Steinen bedeckte, damit die Ratten nicht noch mehr von ihr abbekamen. Dann beobachtete er die Höhle des Brenners und wartete ab. Es ging hoch her wie jeden Abend, aber nach dem fröhlichen Beginn folgte wie stets die Schwermut, und nach und nach gingen die Gäste, die nicht genug Nägel, Blech oder Blei zusammengekratzt hatten, um sich bis zur Bewusstlosigkeit zu betrinken.
    Langsam wurde es immer ruhiger. Die Talgkerzen erloschen eine nach der anderen, und irgendwann ging der Brenner, eher beschwingt als betrunken, hinüber zu dem Lager, in dem Vils Mutter hauste, einen Krug in der Hand.
    Vil wartete, bis es ganz ruhig geworden war. Dann nahm er die halb verweste Ratte am Schwanz und trug sie hinüber.
    Es waren Gäste dageblieben, aber die schnarchten in der Ecke oder auf dem Boden.
    Er schlich vorsichtig an ihnen vorbei. Dann lag einer der Schläfer genau im Weg, und er musste über ihn hinwegsteigen.

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