Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
verbissen, als gäbe es kein Morgen.
Als er am Abend, völlig erschöpft und innerlich leer, zum Stollen zurückkehrte, wurde er bereits erwartet. Der Brenner lehnte in der Tür und machte keine Anstalten, ihn hineinzulassen.
» Ich habe Euch bei der Beerdigung vermisst, Menher. «
» Ich war unpässlich. Stell dir vor, da ist es doch tatsächlich einer Ratte gelungen, sich in einen verschlossenen Behälter mit Maische hineinzuschmuggeln. Eine beachtliche Leistung für so ein Tier, vor allem wenn man bedenkt, dass es bei diesem Meisterstück bereits halb verwest gewesen sein muss. «
» Ich weiß nicht, wovon Ihr redet, Menher. «
Der Brenner lächelte böse, aber dann verkrampften sich seine Gesichtszüge plötzlich, und er presste sich die Hand auf den Magen. » Oh, du weißt es, mein Junge, du weißt es. «
» Warum erzählt Ihr das nicht dem alten Triefauge von der Wache, wenn Ihr Euch so sicher seid? «
» Ich brauche keine Soldaten, um diese Sache zwischen uns zu klären nach Haldenart. Sei froh, dass die Trauer um deine Mutter und gewisse Beschwerden mich daran hindern, jetzt gleich mit dir abzurechnen. Aber wenn ich dich das nächste Mal sehe, hole ich das nach, verlass dich darauf. «
Vil zuckte mit den Achseln. » Tut, was Ihr nicht lassen könnt. Doch nun lasst mich hinein, ich will unsere Sachen holen. «
» Du hast Nerven, Vil Merson, das muss ich sagen, aber sonst hast du vermutlich nichts mehr, denn alles, was dort drinnen ist, gehört jetzt mir. «
Vil ballte die Faust. Der Mann war angeschlagen, er könnte ihn vielleicht besiegen. Aber das hatte er schon einmal gedacht und war verprügelt worden. » Wie Ihr meint, Menher « , sagte er und drehte sich um. Er besaß nun wirklich nichts mehr, denn alles, was ihm gehörte, lag in diesem Stollen. » Wenn man nichts hat, kann man auch nichts verlieren « , murmelte er einen Satz, den er irgendwann in der Halde aufgeschnappt hatte. Er lief zu dem Loch, in dem er nun schon öfter übernachtet hatte, doch dann erschien es ihm klüger, sich ein neues Versteck zu suchen.
In den nächsten Tagen wurde das Arbeiten in der Halde für Vil schwierig, denn er musste nun nicht immer nur mit einem Auge nach oben schauen, sondern auch nach dem Brenner, dessen Drohungen er sehr ernst nahm. Der Mann schien es jedoch mit seiner Vergeltung nicht eilig zu haben. Er sah ihn oft auf einem Stein vor seiner Schänke sitzen und an einem großen Stock schnitzen. Einmal winkte er sogar zu Vil herüber und zeigte dann lächelnd auf den Knüppel.
Vil hatte keine Ahnung, was er machen sollte. In einem ehrlichen Kampf war er dem Mann nicht gewachsen, und in einem unehrlichen Kampf auch nicht, denn der Brenner hatte sicher keine Skrupel, mit schmutzigen Tricks zu arbeiten. Und selbst wenn er ihn irgendwie besiegen könnte, würde er am Ende doch verlieren, denn der Brenner stand unter dem Schutz der Wachen. Sie würden ihn in Eisen legen oder Schlimmeres. Und wer würde dann auf seine Schwester aufpassen? Nein, er durfte nicht Futter für die Menschenfresser im Totenschacht werden.
Dieser letzte Gedanke ging ihm eine Weile nach, denn er spürte, dass etwas von dem, was er über die Menschenfresser gehört hatte, keinen Sinn ergab: Angeblich kamen die Verfemten so gut wie nie in die Halde. Aber wovon ernährten sie sich? Die Halde war nicht mehr so voll, wie sie es einst gewesen sein musste, und es gab zwar hin und wieder Tote, doch lagen meist Wochen zwischen diesen grauenvollen Beisetzungen im Schacht. Davon konnten sie nicht sehr lange zehren. Aber was aßen sie stattdessen?
Er hatte so eine Ahnung, wer ihm diese Fragen vielleicht beantworten konnte. Er ließ alles stehen und liegen, entnahm seinem Versteck all die langen Nägel, mit denen er eigentlich eine Keule hatte spicken wollen, und lief hinunter zum südlichen Stollen.
» Fura – bist du hier? Ich habe etwas für dich! «
» Da ist es wieder, das freche Ding « , zischte es aus der Felsspalte.
» Dieses Mal werden wir uns nicht überraschen lassen « , meinte eine zweite Männerstimme.
» Ich habe Geschenke, Fura « , rief Vil.
» Man kann ihm nicht trauen. Lass es uns töten, Fura. «
» Ach, halt’s Maul « , rief die Alte und zeigte sich vorsichtig. » Geschenke, was für Geschenke? «
» Sieh nur, Nägel aus Kupfer und Eisen, schön lang, und sicher genug für einen oder zwei gute Krüge vom Brenner. «
» Nägel, ja? Und das willst du mir schenken, ja? «
Ihre beiden Liebhaber waren aus ihren
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