Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
Verstecken hervorgekrochen, und sie drohten Vil mit geballten Fäusten. Er nahm sie nicht ernst. Er war größer und stärker geworden seit ihrer ersten Begegnung, sie hingegen sahen noch abgerissener aus als damals.
» Ich schenke sie dir, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest, Fura. « Er hielt ihr die Nägel auf der ausgestreckten Hand hin.
» Wir können sie dir auch einfach wegnehmen. « In Furas Augen glitzerte die Gier.
» Ich will deine Liebhaber nicht schon wieder verprügeln. Sag mir doch einfach, was ich wissen will, und du bekommst, was du willst. «
» Frag, und wir werden sehen. «
» Ich weiß, dass ihr von den Toten esst « , begann er.
» Lüge! « , zischte Fura. » Böse Lüge! «
» Es ist mir gleich « , behauptete Vil, obwohl ihn der Gedanke, dass diese Menschen von seinem Bruder oder von seiner Mutter … Er schüttelte den Ekel ab und zog die Hand zurück.
» Vielleicht, ein wenig « , gab Fura zu. » Wir tauschen mit denen, die da unten hausen. Tauschen Kerzen, Schnaps, Holz gegen Fleisch. Was ist falsch daran? Alle tauschen sie hier, alle. Und die Toten sind tot. «
Vil holte tief Luft, es kostete ihn große Überwindung, weiter zu fragen, aber er musste es einfach wissen: » Aber die da unten, woher nehmen sie ihr Fleisch, wenn hier lange niemand stirbt? «
Fura sah ihn plötzlich lauernd an. » Wie neugierig du doch bist. Eine gefährliche Frage. Niemand stellt sie, niemand, auch Fura nicht. «
» Willst du die Nägel, oder nicht? «
» Sie haben Fleisch, immer, aber Fura weiß nicht, woher. Jetzt gib mir die Nägel. «
» Hier hast du sie! « , rief Vil und schleuderte sie der alten Frau entgegen.
Sie duckte sich, so dass die Nägel gegen die Felswand prallten und in alle Richtungen davonsprangen. Und als sie sie fluchend und kreischend mit ihren Liebhabern aufsammelte, rannte er schon zurück. Er hatte seine Antwort. Wenn die Menschenfresser so viel Fleisch hatten, dass sie es tauschen konnten, mussten sie es doch irgendwo herbekommen. Dieses Irgendwo musste er finden, denn vielleicht führte ein Weg von dort nach draußen.
Noch am selben Abend sprach er heimlich mit seiner Schwester. » Unsere Mutter hat mir aufgetragen, einen Weg hier herauszufinden. «
Tiuri sah ihn mit ihren ernsten Kinderaugen zweifelnd an. » Sed hat gesagt, es gibt keinen. «
» Ich habe vielleicht einen gefunden, doch ist er gefährlich. «
» Wie gefährlich denn? «
» Das weiß ich noch nicht genau. Ich werde ihn erkunden. Und wenn er sicher ist, komme ich und hole dich. «
» Warum nimmst du mich nicht gleich mit? «
» Weil es zu gefährlich ist, Tiri, das habe ich doch gesagt. «
» Ich will aber nicht, dass du gehst. Ich will nicht allein hierbleiben. «
» Doma Geffai passt auf dich auf, aber du darfst ihr nicht sagen, was ich vorhabe. «
» Ich will aber nicht lügen. «
» Es ist nur dieses eine Mal. «
» Nehmen wir sie auch mit? «
» Ich weiß nicht, ich glaube, es wäre mir lieber, wir wären erst einmal für uns. «
Seine Schwester runzelte die runde Stirn. » Wo ist denn dieser Weg? «
» Ich sage es dir, wenn ich weiß, dass er sicher für uns ist. «
» Ich will ihn aber jetzt wissen! «
» Tiri, sei nicht albern. «
» Aber was sage ich Menher Geffai, wenn er nach dir fragt? «
» Sag die Wahrheit, sag, dass du nicht weißt, wo ich bin. «
Wieder schien seine Schwester angestrengt nachzudenken. Ihre dunklen Augen blickten plötzlich traurig. » Und du versprichst, dass du mich holen kommst? «
» Ich verspreche es. Ganz ehrlich. Ich bin bald zurück. « Als er das gesagt hatte, durchzuckte es ihn wie ein Blitz. Ich bin bald zurück: Genau das waren die letzten Worte seiner Mutter gewesen.
Er zwang sich zu einem optimistischen Lächeln, umarmte seine Schwester innig, versprach ihr noch einmal, sie so schnell wie nur irgend möglich holen zu kommen, und schärfte ihr abermals ein, niemandem etwas davon zu sagen. Sie kämpfte mit den Tränen. » Und du bist wirklich bald zurück? «
» Schneller, als du glaubst. «
» Ich werde nichts verraten. « Sie lächelte tapfer und weinte trotzdem.
Er umarmte sie noch einmal und huschte dann davon. Er wusste, er konnte sich auf Tiuri verlassen, so wie sie sich auf ihn verlassen konnte.
Auf dem Rückweg hielt er noch einmal an der Stelle, an der seine Mutter gestorben war. Er blickte hinauf zu der vergitterten Himmelspforte. Es war ihm schon am Tag ihres Todes aufgefallen, aber er hatte den Gedanken fest in seinem
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