Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
weit wir vorangekommen sind.« Askon nickte Jamade zu, schloss sein Hemd und tat, als sei nichts geschehen. Jamade zog sich unter Deck zurück und kleidete sich mit fahrigen Fingern an. Noch nie hatte ein anderer als sie selbst ihre Ehre verteidigt.
***
Gegen Mittag verfügte Sagur eine Pause für alle Ruderer, was dringend nötig war, denn sie waren die Nacht hindurch gerudert, und vor allem die Scholaren waren erschöpft. Ela spürte ihren Rücken nicht mehr, und sie war hungrig. Es gab jedoch nichts anderes als kalten, gewürzten Stockfisch, denn nur davon war ein Vorrat auf dem Schiff gelagert gewesen.
»B esten Dank«, murmelte Ela und betrachtete das kleine Stück Fisch in ihren Händen skeptisch.
»W enn Ihr es nicht wollt, esse ich es, Jungfer Ela«, scherzte Hawid.
»D er Hunger wird es hineintreiben«, lehnte Ela lachend ab. Sie probierte, spuckte eine Gräte aus und fand den Fisch dann doch durchaus genießbar, auch wenn sie ein schönes, gebratenes Kaninchen jederzeit vorgezogen hätte. Am Ende war sie sogar enttäuscht, denn Sagur wollte nicht mehr herausrücken: »W ir haben noch eine lange Fahrt vor uns, und was Ihr jetzt esst, fehlt Euch am Abend und in der Nacht.«
Plötzlich ertönte ein heller Schrei, dann ein Fluch, und am Mast stand Sahif und hielt einen Knaben am ausgestreckten Arm von sich. Der Junge, vielleicht elf Jahre alt, zappelte. Ihm zu Füßen lag ein kurzes Messer.
»W as hat das zu bedeuten?«, herrschte die Königin Sahif an.
»D ieser tapfere Krieger wollte mich hinterrücks erstechen!«
»E r hat den König umgebracht! Er hat den König umgebracht!«, rief der Knabe.
»U lwi, ist das wahr? Du wolltest den Mann töten?«, fragte Sagur scharf.
»A ber er hat König Hakor ermordet.«
»W ir haben einen Waffenstillstand, Ulwi«, erklärte die Königin. »S elbst diesem feigen Mörder dürfen wir kein Haar krümmen, solange wir an Bord dieses Schiffes sind.«
»A ls wenn der Knabe das nicht wüsste«, brummte Sagur. »Ü bergebt ihn mir, Oramarer. Ich werde für eine angemessene Strafe sorgen.«
Sahif hielt den Knaben noch einen Augenblick am ausgestreckten Arm. »D as wird nicht nötig sein, Sagur. Niemand ist verletzt worden. Ich sah ihn rechtzeitig, und das war Glück– für ihn, nicht für mich.« Dann setzte er den Knaben ab und richtete ihm mit einer beinahe väterlichen Geste den Kragen seines Hemdes. »D u bist tapfer, junger Krieger, aber du hast die Königin gehört. Auch bist du etwas zu jung, um dich mit einem Schatten zu messen. Komm wieder, wenn du größer bist.« Er kehrte dem Knaben den Rücken zu, setzte sich und aß den Rest von seinem Stockfisch.
Der Knabe starrte erst Sahif an, dann sein Messer, das auf dem Boden lag. Blitzschnell bückte er sich, holte aus– Sahif rührte sich nicht. Ela schrie erschrocken auf– aber da hatte Sagur Ulwi schon am Arm gepackt. Der Knabe kreischte wütend, aber Sagur fasste ihn grob am Hemd und blickte ihn mit seinem einen Auge so durchdringend an, dass er schließlich verstummte. Dann schleifte er ihn zum Heck, wo er lange und eindringlich auf ihn einredete.
»E r hätte dich um ein Haar getötet, Sahif! Wie kannst du nur so ruhig sein?«
»I ch habe es kommen sehen, Ela, ja, ich wusste schon, was er vorhatte, bevor er es selbst wusste. Doch musste ich warten, bis er es wirklich tut, denn viele der Westgarther hegen Mordgedanken gegen mich.«
»U nd was hättest du gemacht, wenn er in der Nacht zu dir gekommen wäre mit seinem Messer? Während du schläfst?«, fragte Ela, aufgebracht über seine Ruhe.
»W er sagt, dass ich schlafe, Ela Grams?«
»D u hast vergangene Nacht nicht…?«
»W ir Schatten lernen früh, einige Tage ohne Schlaf auszukommen.«
»I ch kann für dich wachen.«
»D u brauchst deine Kräfte, Ela, und wir sind ja schon bald in Felisan.«
Ela seufzte, offenbar war Sahif wild entschlossen, sich nicht helfen zu lassen. »U nd sobald du vom Schiff herunter bist, fallen sie über dich her, und über mich wahrscheinlich auch.«
Und auch darauf antwortete er nur mit einem gleichgültigen Schulterzucken.
Kurz darauf rief Sagur sie wieder an die Riemen, und sie ruderten in Schichten bis zum Abend. Gelegentlich erspähte der Ausguck ein Segel am Horizont. Doch nie war es die Sperber, obwohl Sagur immer noch behauptete, dass sie sie rechtzeitig einholen würden.
»D ann bin ich gespannt, ob wir sie in finsterer Nacht überhaupt zu Gesicht bekommen«, meinte Hawid, der auf der Ruderbank vor Ela
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