Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
das ist zwei Tagesreisen entfernt. Euch mag die Stadt nichts bedeuten, aber es ist meine Stadt, und ich muss dorthin, so schnell wie möglich. Wenn sich der rechtmäßige Herzog zeigt, werden die Verteidiger die Waffen strecken. Dann ist der Spuk vorüber. Und deshalb verlange ich die Eskorte, die mir zusteht und die mich und meinen Sohn schützt, falls die Straßen nicht so sicher sind, wie sie es sein sollten. Ich hörte jedenfalls, dass feindliche Späher, Damater, an der Straße gesehen wurden.«
»G erüchte, Gajan, nichts als Gerüchte. Aber auch wenn es wahr wäre– was tut ein Späher? Er beobachtet aus dem Verborgenen. Warum also sollte er Euch angreifen? Braucht Ihr da wirklich eine Eskorte? Und Pferde? Euer Freund Gidus hat meine Ställe schon für seine Reiterei und den Tross geplündert. Ich glaube nicht, dass es auch nur noch ein brauchbares Pferd in meinen Ställen gibt.«
Gajan versuchte ruhig zu bleiben. Er hatte in den letzten Wochen viel durchgemacht, zu viel, um sich auf die Spielchen dieses verdrehten Geizhalses einzulassen. Pelwa saß den ganzen Tag in der Küche, aß nichts anderes als Suppe und folterte alle Besucher mit dem Duft der Köstlichkeiten, die er sich unentwegt zubereiten ließ. Aber diese Verschwendung war wohl das Einzige, an dem er nicht sparte. Der Geruch von Bratäpfeln stieg Gajan in die Nase– er versuchte, das zu ignorieren. »I ch hörte, Ihr habt eine schöne Summe für die Tiere bekommen«, entgegnete er mit gezwungener Ruhe.
»S chön? Wenn Ware so massenhaft verkauft wird, leidet immer der Preis, immer! Es war gerade so viel, dass ich nicht von einem glatten Diebstahl sprechen möchte!«
»W ollt Ihr also vorschlagen, dass der rechtmäßige Herzog von Atgath zu Fuß in seine Stadt zurückkehrt, Protektor?«
Pelwa kratzte sich am schlecht rasierten Kinn. »I ch habe natürlich noch einige ältere Tiere, die das Heer verschmäht hat. Gute Reitpferde könnte ich für Euch erwerben, doch ich bezweifle, dass Ihr sie Euch leisten könnt.«
»M acht Euch nicht lächerlich, Pelwa! Ich bin Gajan, rechtmäßiger Herzog von Atgath und außerdem Erster Gesandter des Seebundes! Vergesst nicht, wer die Küsten und Gewässer rund um Eure Stadt beschützt, Protektor. Der Seerat wird sehr erstaunt sein, wenn er erfährt, wie ein Fürst des Bundes in Not von Euch behandelt wird!«
Pelwa brummte missmutig in seine weißen Bartstoppeln. »N un gut, ich werde sehen, was ich tun kann, Prinz. Meinetwegen Pferde, eine kleine Eskorte vielleicht. Ich werde einen meiner Hauptmänner bitten, zwei Pferde und ein paar Männer für Euch aufzutreiben, auch wenn mich wohl niemand für meine Mühen entschädigen wird.«
Gajan war froh, als er der Küche entronnen war. Er brauchte dringend frische Luft. Er kannte Pelwa schon lange, aber der Protektor schien von Jahr zu Jahr verschrobener zu werden.
Er beauftragte einen Diener, Hadogan zu unterrichten, dass er den Palast für ein oder zwei Stunden verlassen würde. Dabei gestand er sich ein, dass er seinem Sohn aus dem Wege ging. Seit sie in der Stadt waren, herrschte verlegenes Schweigen zwischen ihnen. Gajan hatte seinem Sohn auf Ehre und Gewissen beteuert, dass Kumar, der Rudersklave, der sie gerettet hatte, bald zu ihnen stoßen würde, aber natürlich würde er das nicht, es sei denn, er stand von den Toten auf. Während Gajan durch die Gänge lief, zuckte er regelrecht zusammen, weil ihn plötzlich die Erinnerung daran durchfuhr, wie er Kumar getötet hatte. Ganz deutlich stand ihm das Bild vor Augen– Kumar, der ihm die Hand reichte, als wolle er ihm helfen, was doch ganz gewiss eine Finte war, Gajans Schlag mit der Axt, womit er dem Sklaven nur hatte zuvorkommen wollen. Oder? Gajan schloss die Augen. Er hatte den toten Kumar in das Boot gesetzt, in das sie noch zusammen ein Loch geschlagen hatten, um es versinken zu lassen. Es hatte ja noch einen weiteren Toten mit sich geführt, einen anderen Retter, den er hatte töten müssen. Hadogan verstand es nicht, er verstand nicht, dass es zu gefährlich gewesen wäre, diesen alten Fischer leben zu lassen. Auch Kumar hatte so getan, als würde er es nicht verstehen, dabei hatte er doch selbst ohne Zögern gemordet, um zu überleben.
Gajan riss sich zusammen– was brachte es, diesen düsteren Gedanken nachzuhängen? Was geschehen war, war geschehen. Er grüßte die Wache an der Pforte und trat hinaus auf den Marktplatz. Es war inzwischen dunkel, und der Herbstnebel war noch dichter geworden.
Weitere Kostenlose Bücher