Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
saß. »W enn ich das richtig sehe, dann sind wir vielleicht vor, spätestens aber mit dem Morgen vor der Küste Haretiens.«
»W oher wollt Ihr das so genau wissen?«, fragte Ela erstaunt.
Der Scholar wies zum Himmel. »D ie ersten Sterne zeigen sich, und sie sind zuverlässige Wegweiser, wenn man sich nur lange genug mit ihnen beschäftigt. Natürlich kann ich ohne Winkelmesser nur grob schätzen, aber ich bleibe dabei: Spätestens morgen früh sind wir in Felisan.«
***
Prinz Gajan von Atgath stand am Fenster und blickte in den Innenhof des Palastes von Felisan, wo sein Sohn Hadogan an einem Brunnen saß, in dem kein Wasser floss, und mit Herbstlaub spielte. Nebel war aufgekommen und verwischte die Konturen, so dass die Szene beinahe unwirklich wirkte.
»D er Protektor ist nun bereit, Euch zu empfangen, Hoheit«, meldete ein Diener.
»I ch komme«, erwiderte Gajan, aber es fiel ihm schwer, sich von diesem friedlichen Bild zu lösen. Dann riss er sich los und machte sich auf den Weg. Die Zeit der friedlichen Bilder war vermutlich fürs Erste vorüber: Oramar hatte dem Seebund den Krieg erklärt.
Wie gewöhnlich empfing Protektor Pelwa seinen Gast in der Küche. »N un, habt Ihr Euch gestärkt, Prinz?«, begann Pelwa griesgrämig. »I ch sehe, meine Diener haben unter meinen Sachen auch passende Kleidung für Euch gefunden.«
»I ch bin Euch zu Dank verpflichtet, ehrwürdiger Protektor«, erwiderte Gajan höflich. Die Kleider, die man ihnen gegeben hatte, rochen muffig, und dem altmodischen Schnitt nach mussten sie viele Jahre in irgendeiner Truhe gelegen haben.
»V ortrefflich«, meinte Pelwa, Protektor der Stadt Felisan und Großvogt von Oberharetien. Wie eigentlich immer saß er an einem Tisch, der zur einen Hälfte mit Papieren, zur anderen mit Tellern voller Köstlichkeiten bedeckt war, die der Protektor jedoch niemals anrührte. Gajan entdeckte einen gebratenen Kapaun. Noch vor vier Tagen war er ein Schiffbrüchiger auf einem Felsen im Meer gewesen und hätte sich so eine Köstlichkeit nicht einmal mehr vorstellen können.
»U nd die Eskorte? Wann können die Männer bereit zum Aufbruch sein?«, fragte er jetzt. »U m Atgath wird bereits gekämpft, wie Ihr wisst.«
»N atürlich weiß ich das, auch wenn diese Stadt leider nicht mehr den Herren von Felisan gehört, wie es früher, in besseren Zeiten, der Fall war. Und was Eure Eskorte betrifft– ich muss Euch leider vertrösten. Es ist Krieg, wie Ihr so treffend bemerkt habt, Prinz, da kann ich keinen Mann entbehren. Seht, ich gehe gerade die Konskriptionslisten durch, denn ich fürchte, ich muss bald die Milizen der Stadt einberufen.« Seine dürre Hand wies auf eine lange Papierrolle, und sein uraltes, faltiges Gesicht drückte schweren Kummer aus.
»B ald? Ihr habt es noch nicht getan?«, fragte Gajan ungläubig. Er war seit zwei Tagen in der Stadt. Man hätte ihn fast nicht eingelassen, weil man nicht hatte glauben wollen, dass die beiden abgerissenen Gestalten vor dem Tor der so verzweifelt gesuchte Prinz Gajan von Atgath und sein Sohn waren. Saubere Kleidung, ein Dach über dem Kopf, eine Mahlzeit, die nicht nur aus ungewürzten Krebsen oder kleinen Fischen bestand– es war unfassbar, wie sehr er diese einfachen Dinge genoss. Doch nun war die Zeit des Genießens wohl schon wieder vorbei, es mussten Entscheidungen getroffen werden, auch wenn dieser sture Geizkragen von einem Protektor es nicht einsehen wollte.
»W enn ich die Männer einberiefe, Gajan, lägen Handel und Handwerk brach, wenigstens für einen halben Tag, dann müsste ich sie rüsten, was wieder einen halben Tag kostete. Außerdem machen solche Geschichten die Leute nervös und treiben die Preise nach oben. Und jedes Mal, wenn sie ihre eigenen Waffen sehen, bekommen meine braven Bürger nur noch mehr Angst vor diesem Krieg, der doch vielleicht niemals nach Felisan kommen wird.«
»A tgath ist nicht sehr weit entfernt, Protektor.«
Der Alte zuckte mit den Schultern. »W eit genug, und diese selbsternannte Herzogin hat alle Hände voll zu tun, die Stadt zu halten, die ihr gar nicht gehört. Sie kann nicht einmal an einen Angriff denken! Und Oramar? Das liegt weit im Osten, Prinz, das wisst Ihr besser als ich. Glaubt Ihr, dass dieses Reich eine Flotte hat, die stark genug ist, sich die Fahrt durch die Straße von Cifat oder die Tore der Welt zu erzwingen? Nein? Seht Ihr! Der Krieg ist weit weg, Gajan, und dafür sollten wir dankbar sein.«
»D er Krieg ist in Atgath, Pelwa, und
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