Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
sonst war es gespenstisch still. Die Männer wagten nicht einmal mehr, noch zu flüstern. Dann endlich zeigte sich ein dunklerer Fleck im endlosen Grau, und er verdichtete sich bald zu einem schlanken, dunklen Umriss über den Wellen– ein anderes Schiff, direkt voraus.
»S teuerbord, Turgal«, kommandierte Askon, um auszuweichen, aber der Steuermann hatte schon reagiert.
»W er kommt?«, rief eine raue Stimme herüber.
Askon formte die Hände zu einem Trichter. »A skon, König Hakors Sohn. Wer fährt dort ohne Laterne?«
»J eril, auf König Folas Schiff. Kommt längsseits, Westgarther!«
»V ielleicht keine gute Idee, Kapitän«, brummte Turgal.
»G eh längsseits, aber achte auf Abstand. Und ihr, bringt die Riemen ins Wasser!«
Die Krieger gehorchten.
»W er ist König Fola?«, fragte Jamade leise.
»K eine Ahnung«, antwortete Askon, »a ber wir werden es wohl gleich erfahren. Ich hoffe, mein Vater hat keine alte Fehde mit ihm.«
»D a ist noch ein Langschiff, Kapitän, nein, zwei!« rief der Ausguck leise. Er starrte wieder voraus, wandte sich um und flüsterte: »B ei allen Höllen, es sind wenigstens fünf!«
Jamade blickte nach vorn, und jetzt sah sie ebenfalls mehrere schwarze Masten gespenstisch in den weißlichen Nebel ragen. Da schien eine ganze Flotte auf sie zu warten.
***
Gajan drängte sich durch die Hafenanlagen, weil er wissen musste, was die seltsamen Signale, die vom Meer herüberschallten, zu bedeuten hatten, aber jetzt ertönte ein Horn ganz in der Nähe. Es kam von einem Langschiff, das im Hafen lag.
»H eda, was hat dieses Signal zu bedeuten?«, fragte er ins Ungewisse, denn er konnte nicht viel mehr als den Umriss des Schiffes erkennen.
»D as sind die Hörner von Westgarth. Ich glaube, Seeleute suchen die Hafeneinfahrt«, antwortete ein dunkler Schemen.
»W ie viele Schiffe?«
»W enigstens drei«, lautete die Antwort.
Gajan lief weiter. Er wollte zur langen Mole, die zum Leuchtturm hinausführte. Inzwischen strömten immer mehr Menschen in dieselbe Richtung, eine Ansammlung von dunklen Leibern, die sich durch den immer dichter werdenden Nebel drängten.
»S o eine Suppe habe ich wirklich noch nie erlebt«, meinte einer. »K ein Wunder, dass sie die Einfahrt nicht finden.«
Gajan drängelte und wurde gedrängt, bis er plötzlich an einer niedrigen Mauer stand. Hier war ein Stück der Brustwehr eingestürzt und nie repariert worden. Unter ihm schwappte das dunkle Meer gegen die Klippen. Da! Kam da nicht ein Schiff durch den Nebel?
»B ei allen Himmeln! Sie werden auf die Felsen laufen!«, rief einer.
»K ehrt um!«, schrie ein anderer aufs Meer hinaus.
»A ber sie werden das Ufer doch gleich sehen, oder?«, fragte Gajan.
»D ann ist es zu spät. Selbst bei Flut steht das Wasser dort niedrig über den Klippen– und es ist Ebbe!«
Jetzt schrie die ganze Menge durcheinander, und Gajan dachte, dass die Seeleute auf keinen Fall verstehen konnten, ob die Menschen sie warnten oder versuchten, sie in ihre Richtung zu lenken. Da! Knirschte da nicht Holz auf Stein?
Ein paar Leute brüllten »R uhe!«, doch es dauerte, bis es ruhiger wurde. Wieder! Das unangenehme Scheuern von schwerem Holz über massivem Fels. Und noch einmal! Dann klatschte etwas ins Wasser, oder war das nur die Brandung, die gegen die Mauer schlug? Die Menge wurde unruhig. »D a, sie waten an Land!«, schrie jemand.
»H ierher!«, rief ein anderer, und der Ruf wurde aufgegriffen. Gajan kniff die Augen zusammen, konnte aber immer noch nicht viel erkennen. Plötzlich erscholl ein spitzer Schrei aus Richtung des Turmes. Er war so schrill, dass alle anderen Rufe sofort verstummten. Es war mit einem Mal beinahe still, nur das Meer rauschte ungerührt gegen die Mauer.
»D as kam vom Spiegelturm«, murmelte einer.
»D a, hört ihr das?«
Ein fernes, aber lautes Klirren erklang.
»I st das die Sperrkette?«, fragte jemand.
Gajan starrte wieder dorthin, wo vielleicht die Schiffe auf Grund gelaufen waren. Da war etwas im Wasser– dunkle Punkte. Und hinter diesen Punkten stiegen kleine Funken in die Luft. Er bestaunte sie mit offenem Mund. Sie stiegen auf, gelbrote Punkte im Nebel. Es sah beinahe schön aus. Aber dann begriff er, was er sah! Die Funken flogen heran, senkten sich über der Menge, die endlich die Gefahr erkannte, aber zu dicht gedrängt stand, um irgendwie auszuweichen.
»B randpfeile!«, schrie jemand viel zu spät.
Hörner ertönten– vom offenen Meer, aus der Hafeneinfahrt, aus dem
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