Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
Siehst du den Turm unter dem Skorpion? Das ist sein persönliches Wappen.«
»U nd was sollen wir jetzt machen?«
»N ichts, und darauf hoffen, dass sie uns in dem Chaos nicht bemerken.«
Sagur gab Befehl, wieder zu rudern, aber Sahif ignorierte ihn. Er bewegte sich unauffällig ins Heck, denn er wollte wissen, was die Königin und ihr Steuermann planten. Das Schiff glitt langsam durch den Hafen, vorbei an hölzernen Trümmern und treibenden Leichen. Der Kampf war noch nicht vorbei, immer noch krachten Büchsen- und Kanonenschüsse von irgendwoher über das Hafenbecken. Es flogen Pfeile kreuz und quer, und aus der Stadt drang lauter Lärm. Aber war das noch der Lärm der Schlacht– oder schon der Plünderung? Auf einem großen Stück eines Schiffshecks trieben einige Männer durch das Hafenbecken. Sahif sah, dass sich darauf sowohl Westgarther wie auch Matrosen des Seebundes ängstlich aneinanderklammerten. Sie riefen um Hilfe und winkten, aber die Königin befahl Sagur, sie nicht zu beachten. »E s mögen sich andere darum kümmern, wir haben Wichtigeres zu tun. Haltet Ausschau nach der Sperber. Sie muss doch auffallen.«
»U nd was tun wir, wenn wir Prinz Askon gefunden haben, Herrin?«, fragte Sagur leise. »V iele von uns haben nicht vergessen, was er getan hat, und er ist vor dem Urteil der Ältesten geflohen.«
»A us einem Königreich, das es nicht mehr gibt. Aber es kann neu erstehen, mit Askon als König.«
Dann rief einer der Scholaren, dass er das gesuchte Schiff sehen könne. Tatsächlich entdeckte Sahif die Sperber am Kai, beinahe da, von wo sie vor einigen Tagen aufgebrochen waren.
»I ch hoffe, dass Hanas noch lebt«, meinte Ela, die zu ihm gekommen war.
»H anas Aggi?«
»D er Koch sagte, er hätte ihn noch kämpfen sehen, als er über Bord ging.«
Sahif zuckte mit den Achseln. »E s ist möglich, doch Askon ist kein Mann, der viel Milde walten lässt, wie mir scheint. Ich würde nicht damit rechnen.«
»S ahif! Sag nicht so etwas Schreckliches!«
Er setzte zu einer Antwort an, wollte ihr erklären, dass er es nicht böse meinte, es aber doch einfach unwahrscheinlich war, dass ausgerechnet Hanas Aggi noch leben sollte, dann sah er jedoch ihrem verstörten Gesichtsausdruck an, dass es die falschen Worte gewesen wären. Und da er die richtigen nicht fand, schwieg er. Sie würden es ohnehin gleich erfahren. Alle an Bord waren in heller Aufregung, niemand beachtete ihn. Er nickte Ela zu, dann rief er die Schatten. Er hatte vielleicht nur diese eine Chance, Jamade zu erwischen – falls sie noch an Bord der Sperber war.
***
Jamade saß auf einer Regentonne auf einem kleinen Platz im Westen der Stadt, nicht weit vom Hafen entfernt. Ein toter Esel lag auf dem Pflaster, und sie fragte sich, wie er da hingekommen war. Es lagen auch tote Männer dort und eine Frau, aber Leichen hatte sie auf dem ganzen Weg durch die Stadt mehr als genug gesehen, das war jedoch der erste tote Esel, und es war etwas, worüber sie sich wunderte. Es war kein Karren in der Nähe, er trug auch kein Halfter oder Geschirr. Er schien davongelaufen zu sein, geradewegs in den Tod. Eine tiefe Wunde klaffte in seinem Hals. Doch wer hielt sich damit auf, einen Lastesel zu töten? Es erschien ihr noch sinnloser als dieses ganze Gemetzel, bei dem Männer ihr Leben voller Kampfeslust aufs Spiel setzten.
Ihr selbst war die Lust am Kämpfen fürs Erste vergangen, noch immer haderte sie mit dem Unglück, das ihr beim letzten Kampf widerfahren war. Sie befühlte die Wange, die von irgendetwas aufgerissen worden war. Es würde wohl eine Narbe zurückbleiben, aber Askon hatte sie angesehen, mit dem Daumen die noch blutende Schramme befühlt und sie dann an sich gezogen und geküsst, mitten in der brennenden Stadt. Er war wunderbar unberechenbar, sie wusste nie, was er als Nächstes tun würde. Solchen Menschen begegnete sie nur selten.
Jamade sprang von der Regentonne und spähte die Straßen hinab. Die Schlacht war zu einer Plünderung verkommen und auch weitergezogen, aber sie mochte zurückkehren, wenn irgendjemand auf die Idee kam, es gäbe hier etwas zu holen.
Askons Männer waren auf der anderen Seite des Platzes damit beschäftigt, das Lager des Pelzhändlers zu plündern, von dem Askon gesprochen hatte. Der Besitzer lag tot vor dem Tor. Er hatte den Fehler gemacht, sich ihnen in den Weg zu stellen, und wohl darauf vertraut, dass die guten Geschäfte, die er in den letzten Jahren mit Prinz Askon gemacht hatte, ihn schützen
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