Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Spaziergänge mit ihrem Vater und seinem alten, keuchenden Labrador, sondern auch die ungezwungenen Unterhaltungen mit ihrer Mutter in der kleinen Küche. Obwohl sie natürlich mehrmals pro Woche mit ihrer Mutter telefonierte, war das nicht das Gleiche, wie ihr tatsächlich gegenüberzustehen und sich in dem vertrauten Haus aufzuhalten, in dem es vor Büchern und Erinnerungen nur so wimmelte. Ihr war ebenso klar, dass ihre Eltern auch sie vermissten, ihr einziges Kind, und sich um ihre Stellung in Phils komplizierter Familie sorgten – obwohl sie natürlich viel zu höflich waren, um dies offen auszusprechen.
Anna blickte zu Phil hinüber. Der lehnte mit seinem Ellbogen im offenen Autofenster und sang einen Blondie-Titel mit, der gerade im Radio lief, obwohl er offensichtlich keine Ahnung von dem Songtext hatte. Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch. Sie hatten es geschafft, mehr miteinander zu reden, und obwohl er sich immer noch nicht so richtig über das mögliche Baby freuen wollte, so war er doch nicht mehr ganz so panisch wie am ersten Abend. Anna bewertete seine Gemütsstimmung als »zaghaft hoffnungsvoll«.
Ihre Periode war nun offiziell vier Tage überfällig. Bislang hatte sie noch niemandem davon erzählt und wollte die Sache auch lieber erst einmal für sich behalten, bis ein Schwangerschaftstest vorlag. Es war Phils und ihr Geheimnis, das sich anfühlte wie die Zeit vor Weihnachten oder wie die letzten Tage des Schuljahrs. Die wohlige Gewissheit, dass dort etwas Neues geschah, blubberte in ihrem Inneren. Sie waren kurz davor, einen Schritt nach vorn zu machen – alle zusammen, und das zum allerersten Mal.
Ausnahmsweise einmal graute es Anna nicht vor den verschleierten, ängstlichen Nachfragen ihrer Mutter nach eigenen Enkeln, die normalerweise gestellt wurden, wenn sie beide in der Küche Sandwiches zubereiteten und sich somit außer Dads und Phils Hörweite befanden. Denn dieses Mal würde sie geheimnisvoll lächeln und sagen können: » Mum , die Sache ist in Arbeit.«
Irgendwo im Auto piepte ein Handy und verkündete den Eingang einer Nachricht. Phil und Anna waren mit ihren Eltern in einem Hotel außerhalb von Ledbury zum Essen verabredet. Da Annas Dad ein neues Handy besaß, wurden sie über jedes Stadium des Zusammentreffens mit mehreren SMS auf den neuesten Stand gebracht.
»War das mein Handy?« Anna sah sich suchend um; ihre Handtasche lag auf dem Rücksitz. »Das könnte mein Dad gewesen sein, der wissen will, wann wir ungefähr ankommen. Du kennst ihn doch – wahrscheinlich hat er die Speisekarte schon aufgeschlagen.«
»Nein, ich glaube, das war meins«, erwiderte Phil und drehte sich um, um in seinem Sakko nach dem Handy zu suchen. »Schau du lieber wieder auf die Straße, bitte. Ich hoffe, du bringst Becca nicht bei, so Auto zu fahren!«
»Ich werde ihr überhaupt keinen Fahrunterricht geben, solange du keine gewaltige Lebensversicherung für mich abschließt«, erwiderte Anna fröhlich. »Und du mir ein besseres Auto kaufst.«
»Oh Gott«, stöhnte Phil. »Das Auto . Ist dir klar, wie Sechssitzer aussehen? Das sind Minibusse! Wir werden aussehen wie die Betreuer eines Jugendvereins!«
»Ach, so schlimm wird’s schon nicht werden«, entgegnete Anna. »Becca braucht keinen Sitzplatz mehr, weil sie dann in Cambridge ist. Ein Fünfsitzer wird also auch ausreichen.«
Als Phil darauf nicht reagierte, sah sie zu ihm hinüber und merkte, wie er mit gerunzelter Stirn auf sein Handy starrte. »Was denn?«, fragte sie. »Jetzt sag bloß nicht, dass es was Berufliches ist. Kennen die eigentlich nicht die Bedeutung des Wortes ›Wochenende‹?«
»Die SMS ist von Becca«, erwiderte Phil. »Sie will, dass wir Skype anschmeißen.«
»Jetzt?« Die Bitte um eine Unterhaltung per Skype war nichts Ungewöhnliches – die Mädchen unterhielten sich täglich mit dem jeweiligen Elternteil, bei dem sie sich gerade nicht aufhielten. Zumindest Lily; die anderen beiden winkten eher im Vorbeigehen mal in die Kamera, während Lily ihren Tag in allerkleinsten, nervigen Details schilderte. »Ich dachte, sie würden sich erst so gegen sieben per Skype melden. Wollten wir nicht dann erst wieder zu Hause sein?«
»Das war eigentlich der Plan, ja. Ich schreib ihr kurz, dass wir unterwegs sind«, antwortete Phil. »Sarah will wahrscheinlich nur, dass ich Chloe ermahne, nichts Verrücktes zu tun, wie etwa ihre Nase piercen zu lassen. Du weißt selbst, wie sie ist – sie bittet erst um etwas ungeheuerlich
Weitere Kostenlose Bücher