Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Kohlen gesessen, doch weder hatte ihr Handy geklingelt, noch waren Phil oder die Mädchen im Laden aufgetaucht. Sie nahm an, dass alle fünf eine Menge zu besprechen hatten.
Zögerlich holte Anna einen zarten Lipgloss aus ihrer Tasche und legte ihn hastig auf. Das reicht – es hat keinen Sinn, bei meiner Rückkehr mehr Schminke im Gesicht zu haben als vorher. Sonst wird sich Phil nur wundern, was ich im Schilde führe.
Sarah war immerzu makellos gepflegt. Anna mit ihrem lockeren, kreativen Stil hatte nie die Notwendigkeit gesehen, es mit ihren maßgeschneiderten Hosenanzügen und edlen Handtaschen aufzunehmen. Allerdings fragte sie sich, ob man Sarah von der Schwangerschaft schon etwas ansehen konnte, ob sie nun dieses Strahlen besaß, das man Schwangeren so oft nachsagte, oder ob sie sich nur auf Schritt und Tritt übergab.
Hör auf damit!
Anna sah zu ihren Füßen hinunter und stupste Pongo sanft an. »Nun lauf schon! Lily ist wieder zu Hause! Sag ihr schnell Hallo!«
Doch Pongo kauerte sich mit eingezogenem Schwanz auf dem Boden zusammen und sah sie argwöhnisch an. Konnte er Sarah etwa riechen? War er verwirrt darüber, wo er demnächst leben würde?
Anna sammelte sich kurz und versuchte zu ignorieren, wie sich ihr der Magen umdrehte. Wenn sie die Tür gehört haben, fragen sie sich bestimmt gerade, warum ich nicht hereinkomme. Ich muss ihnen ja nicht zeigen, wie es mir innerlich geht. Mach … einfach nur gute Miene zum bösen Spiel.
Sie holte ein letztes Mal tief Luft, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schritt den Flur entlang in die Küche. Allein schon diese konzentrierte Ansammlung der McQueens war beunruhigend. Normalerweise verteilten sich die Mädchen über das ganze Haus, um einander aus dem Weg zu gehen – Chloe hielt sich im »Dance Studio«-Keller auf, Becca in ihrem Zimmer, und Lily schaute mit Pongo an ihrer Seite Fernsehen. Doch heute klang es, als stünden sie alle um den Küchentisch herum und würden sich anbrüllen, während Phil erfolglos versuchte, schlichtend einzugreifen.
Anna hörte, wie er sich bemühte, die Frauenstimmen mit seiner gewohnten »ach komm schon, sei vernünftig«-Taktik zu übertönen, die normalerweise nur dazu führte, dass Chloes lodernde Feuersalven noch weiter angefacht wurden. Auch jetzt zeigte sich kein Erfolg. Stattdessen klang Phil nun verzweifelt und ein wenig jämmerlich.
Auch Sarah konnte sie bis in den Flur hören. Sie versuchte, das Treffen so weit zu kontrollieren, als sei dies ein Gerichtshof, der über ein Amtsenthebungsverfahren zu entscheiden hatte. »Jeder kommt an die Reihe, um etwas dazu zu sagen!«, setzte sie sich über Phil hinweg.
Chloe nutzte währenddessen gnadenlos ihren Stimmbildungsunterricht aus, um Becca zu übertönen, die Anna zum ersten Mal, seit sie sie kannte, schreien hörte. »Du hörst uns überhaupt nicht zu! Wir sind dir vollkommen egal!«, schrien Chloe und Becca immer wieder, dieses Mal allerdings deutlich lauter, als sich die Küchentür kurz öffnete und sich Lily mit kummervoller Miene wie ein Aal herausschlängelte.
Anna breitete die Arme aus, und schon kam Lily weinend auf sie zugestürzt. Sogar Pongo kam herbeigetrottet, um das abzulecken, was von ihrem Gesicht übrig war, nachdem sie es in Annas Pullover vergraben hatte. Halb führte Anna, halb trug sie Lily von der Küchentür weg, damit sie nicht die Dinge mitanhören musste, die Chloe in den höchsten Tönen brüllte. Die beiden landeten schließlich auf den Treppenstufen, wo Anna Lily im Arm hielt und ihr sanft über das Haar strich, während Lily in ihrer Jetlag-bedingten Erschöpfung schluchzte.
Anna drückte einen Kuss auf Lilys weiches Haar und murmelte beruhigend auf sie ein, wiegte sie und wünschte sich inständig zu wissen, was sie jetzt sagen sollte. Während Lily schluchzte, starrte Anna auf die Babyfotos der Mädchen, die im Treppenhaus nach oben hingen. Angefangen mit Becca, die schon in ihrem weißen Taufkleidchen mit ernstem Blick in die Kamera schaute; weiter ging es mit Chloe, die wie ein Kinderstar mit einem Stirnband strahlte. Sarah besaß die gleichen Fotos; die Abzüge waren Teil der Scheidungsvereinbarung gewesen.
Anna selbst tauchte erst auf dem Weg zum zweiten Stock auf, auf dem Weihnachtsfoto von vor vier Jahren. Ihr war dabei die besondere Ehre zuteilgeworden, Pongo mit seiner roten Nikolausmütze auf dem Arm zu halten. Dieses Foto aufzuhängen hatte sich damals wie ein bedeutender Meilenstein angefühlt, doch jetzt kam es
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