Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
im Stich lassen, aber …«
»Aber was? Anna, jetzt sag es einfach geradeheraus. Hör auf damit, immer alles in dich hineinzufressen!«
»Ich bin einunddreißig.« Anna hatte keine Ahnung, wie sie fortfahren sollte, und starrte stattdessen auf die Rosenbüsche. Aus Angst vor der Flut der Panik und Verbitterung, die in ihr hervorzubrechen drohte, presste sie die Lippen fest aufeinander.
»Du bist einunddreißig«, soufflierte Michelle.
»Ich will dieses Baby«, fuhr Anna fort. »Wie viele Chancen bekommt man denn schon? Selbst wenn ich jetzt noch einmal ganz von vorn beginnen würde, könnte es ein Jahr dauern, bis ich einen anderen Mann finde. Und ein weiteres Jahr, um Vertrauen zu ihm zu fassen. Dann noch ein weiteres Jahr, um tatsächlich schwanger zu werden, wenn es denn klappen sollte. Und ich liebe Phil. Ich will ein Kind von ihm, nicht von irgendwem.« Mit Tränen in den Augen sah sie zu Michelle auf. »Ich will niemanden enttäuschen, aber was ist denn mit mir ? Man kann doch von niemandem verlangen, sich zwischen den drei Kindern, die man angenommen hat, und einem eigenen ungeborenen Kind zu entscheiden!«
»Phil wird dich nicht vor diese Wahl stellen«, erklärte Michelle entsetzt. »Anna – dazu wird es nicht kommen!«
»Ich will niemanden enttäuschen«, wiederholte sie, doch es klang eher, als wolle sie sich selbst davon überzeugen. Pongo zerrte an der Leine, weil er nicht begriff, warum sie einfach stehen geblieben waren – und das in schnupperbarer Nähe des Freilaufbereichs. Anna schloss die Augen und gab sich Mühe, nicht zu weinen, während sich ein dumpfer Schmerz in ihrer Bauchhöhle ausbreitete. »Ich habe immer gedacht, dies wäre der glücklichste Moment in meinem Leben, aber jetzt stellt er sich plötzlich als der schlimmste heraus.«
»Anna.« Michelles Stimme klang sanft, zugleich jedoch entschlossen. »Die Mädchen sind nicht deine leiblichen Kinder. Ich weiß, du liebst sie, aber letztlich sind es nicht deine Kinder. Jemand anderes trägt die Verantwortung dafür, sie zu lieben.«
Anna hielt die Augen geschlossen, spürte aber Michelles Hand auf ihrem Arm. »Es sind meine Kinder«, beharrte sie. »Ich habe Phil geheiratet, also sind es auch meine Kinder.«
Doch sie war nicht ihre Mutter. Jedenfalls nicht dann, wenn es wirklich darauf ankam. Sie kamen nicht zu ihr, weil Sarah schwanger war. Sie weinten sich am Telefon nicht bei ihr aus, wenn sie Bestätigung brauchten.
Michelle strich ihr sanft über die Schulter. Dann merkte Anna, wie sie ihr Pongos Leine abnahm, und ließ zu, dass sie sich nach vorn beugte, um ihre tränennassen Augen in Michelles Schulter zu vergraben. Im Hintergrund hörte sie das fröhliche Gebell der Hunde, die leinenlos im Sand herumtollten. Dazu roch sie den frischen Duft des Kaffees, die Fliederbüsche und Michelles vertrautes Parfum, und Anna wünschte sich nichts sehnlicher, als so zu verharren, bis alles überstanden war.
Nur, dass das nicht möglich war. Das konnte man als Mutter nicht bringen – nicht mal, wenn man gar nicht die richtige Mutter war. Man musste die Probleme lösen.
19
» Der kleine Hobbit ist ein großartiges Buch, um es vor dem Schlafengehen zu lesen. Während man einschläft, wächst die geheimnisvolle, magische Welt aus der Buchseite heraus in die eigene Fantasie hinein. Die Königreiche und die Regeln des Abenteuers scheinen im Traum einen Sinn zu ergeben.«
Rory Stirling
D ie Veränderung im Haus war so offensichtlich, dass sie Anna gleich auffiel, sobald sie den Schlüssel ins Schloss gesteckt und aufgeschlossen hatte. Dies lag nicht nur am Klang der Stimmen aus der Küche, sondern auch an der angespannten Atmosphäre und dem Geruch eines unbekannten Parfums, das ihr diesen Ort plötzlich so fremd erscheinen ließ.
Auch Pongo blieb verunsichert stehen und schnupperte, als wüsste er, dass irgendetwas in der Luft lag. Anstatt wie sonst auf die Mädchen loszustürzen, klebte er nun geradezu an Annas Fersen.
Vor dem großen Flurspiegel hielt Anna inne und warf einen prüfenden Blick auf ihr Spiegelbild. Schnell glättete sie ein paar blonde Strähnen, damit sie nur ein wenig zerzaust und nicht etwa durch und durch derangiert aussah.
Ich schiebe es nicht vor mir her, meine eigenen vier Wände zu betreten, sondern … bereite mich nur darauf vor, redete sie sich ein, während sie angestrengt die Ohren spitzte, um mitzubekommen, was in der Küche vor sich ging. Den ganzen Tag über hatte sie im Buchladen wie auf heißen
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