Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
sechsundzwanzigsten Geburtstag erinnert worden. Harvey war völlig außer sich vor Wut gewesen über das »nuttige« Outfit, das sie in dem einzigen Kleiderladen, der ihm zusagte, gekauft hatte. Zur Strafe hatte er sie stundenlang in der Garage eingesperrt und ihren Freunden, die im Restaurant auf sie warteten, erzählt, dass sie einen furchtbaren neuen Haarschnitt habe und zu eitel sei, sich ihnen so zu zeigen. Michelle erfuhr davon erst im Nachhinein, als Harvey nach Hause kam – gebauchpinselt vom Mitleid für seine dumme, kindische Ehefrau – und ihr das schöne, lange schwarze Haar eigenhändig abschnitt; »damit deine Geschichte auch stimmt«.
Michelle hatte keine Ahnung, wie er auf die Unterlagen reagieren würde. Obwohl die Blumenlieferungen eingestellt worden waren, hatte Rachel neulich angerufen, um ihr für jenen »Freund« zu danken, der in ihrem Namen einen Hund finanziell unterstützte.
»Er hat uns gefragt, welcher Hund schon am längsten bei uns sei, deswegen schlug ich ihm Minty vor, unsere einäugige Staffordshire Terrierin«, hatte Rachel berichtet. »Er sagte, er wolle den Hund unterstützen, den niemand haben wolle. Das ist wirklich rücksichtsvoll. Die meisten Leute entscheiden sich in der Regel für die süßen Welpen.«
Das war alles andere als rücksichtsvoll . Michelle wusste nur allzu gut, dass dies Harveys Art war, ihr mitzuteilen, dass sie B-Wahl war, beschädigt und lädiert, dass niemand anders sie auch nur eines zweiten Blickes würdigen würde. Doch wie immer war dies natürlich als eine nette, liebenswürdige Geste getarnt, an der sie wohl kaum Anstoß nehmen konnte. Dabei kam sie sich vor wie eine Ratte in der Falle.
Sie starrte in den Park hinaus und fühlte sich einsamer als je zuvor. Normalerweise hätte sie sich in solch einer Situation an Anna gewandt, die dann mit Pongo an ihrer Seite gewesen wäre. Und sie hätte ihr klargemacht, dass sie aus gutem Grund Single war – damit nämlich Mr. Right gleich wissen würde, dass sie noch zu haben war. Dann wären sie mit den Hunden ins Hundecafé gegangen und hätten zusammen Möhrenkuchen gegessen.
Anna war aber nicht da. Sie war bei ihrer Familie.
»Zeit zu gehen, Tarvish«, rief Michelle und stand auf.
Zurück im Laden wurde sie von lautem Geschnatter aus dem Hinterzimmer empfangen; zwei zusammengefaltete Buggys standen neben der Eingangstür. Anna befand sich nicht hinter der Theke, und als Michelle weiter hineinging, entdeckte sie Anna im hinteren Verkaufsraum. Dort war sie in eine angeregte Unterhaltung vertieft mit ein paar anderen Frauen, von denen zwei jeweils ein Kleinkind auf dem Schoß sitzen und ein Buch in der Hand hatten. Zwei weitere Kleinkinder hockten auf dem Boden und spielten mit dem Inhalt der Spielzeugkiste. Die Szene war bezaubernd, wie selbst Michelle zugeben musste – und das nicht nur wegen der Stapel von Büchern, die die Frauen in Händen hielten und gleich kaufen würden.
Anna unterhielt sich fröhlich, was Michelle freute, doch als sie sich umdrehte und zur Ladenkasse gehen wollte, stieß eines der Babys ein durchdringendes Geschrei aus und spreizte die winzigen Hände wie ein Seestern. Michelle beobachtete, wie sich Annas Augen dabei schlossen und sie die Hände zu Fäusten ballte. Ihre Knöchel traten noch weißer hervor, als eine der Mütter das Baby zu beruhigen und trösten versuchte. Beim Anblick der nackten Qual in Annas Miene stockte Michelle der Atem.
Anna war jedoch mit einem Schlag wie ausgewechselt, als sie Michelle entdeckte, und passte ihren Gesichtsausdruck einen Hauch zu schnell an, wie jemand, der in einer schlechten Sitcom mit heruntergelassenen Hosen erwischt wurde. Da war es allerdings schon zu spät – die ersten Anzeichen eines wunden, tief verborgenen Schmerzes hatten sich da bereits offenbart.
Michelle fühlte sich verletzt. Sie wusste, dass Anna derzeit ein wenig finster und grüblerisch war, aber nicht so leidend wie eben. Warum hat sie mir nichts davon erzählt, fragte sich Michelle. Glaubte sie etwa, ich könnte das nicht verstehen?
»Alles in Ordnung?«, fragte sie, als Anna zu ihr herübergeeilt kam.
Anna tat, als sei alles bestens, verzog dann aber das Gesicht in einer »Na ja, nicht so richtig«-Manier. »Ich liebe Babys. Doch manchmal ist es trotzdem schwer, sie um mich herum zu ertragen. Völlig verrückt.«
Angesichts der Mischung aus Trauer und Ärger in Annas Miene war Michelle unsicher, wie sie angemessen darauf reagieren sollte.
»Es klappt nicht
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