Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Bauchhöhle aus. Geld würde also leider nicht die Lösung sein für die unangenehmen Konsequenzen, mit denen sie sich nun auseinandersetzen musste.
Der Buchladen schrieb nun nur noch Verluste – erst recht, nachdem der Glanz des Neuen verblasst und es Sommer geworden war. Sie hatten ein paar Urlaubsromane verkauft, doch längst nicht so viele wie erhofft. Wie Anna auf ihre offene und ehrliche Art erklärte, kauften die meisten preisbewussten Kunden ihre Urlaubslektüre im Supermarkt, »was man ihnen nun wirklich nicht verdenken könne«. Annas Lösung für dieses Problem bestand darin, »klassische Liegestuhlschmöker« zu forcieren. Dies war zwar keine teure Neuware, doch auch das warf nicht mehr Einnahmen ab. Mehrere schwüle Nächte lang hatte Michelle schlaflos dagelegen und darüber nachgedacht, was Rory über Anna und einen bestimmten Markenwert gesagt hatte, und versucht, sich eine für alle akzeptable Lösung einfallen zu lassen. Ihre letzte, vielleicht auch verrückteste Idee war, Rory beim Wort zu nehmen und ihn mit der Suche nach einem weiteren Geschäftslokal zu beauftragen. Doch Martin Leonard war äußerst standhaft und entschieden, was die neuen »zurückhaltenden finanziellen Kapazitäten der Bank« anbelangte.
»Wenn ich allein in dieser Angelegenheit zu entscheiden hätte, Michelle, hätte ich das Geld bereits gestern schon in Ihr neues Vorhaben investiert«, hatte er erklärt, wobei sich auf seiner Stirn eine weitere Schweißperle gebildet hatte. »Aber die Bank greift derzeit rigoros durch. Kommen Sie doch nächstes Jahr noch einmal wieder, dann können wir sehen, was möglich ist.«
Michelle hatte angespannt gelächelt und ihm zugesagt, eine ihrer limitierten Pimm’s Glaskaraffen für seine Frau zurückzustellen. Danach war sie so entschlossen die High Street hinuntermarschiert, dass ihr dabei eine Absatzspitze ihrer Stilettos abgebrochen war. Als sie den Buchladen erreichte, hatte das Brausen und Toben in ihrem Magen noch nicht nachgelassen, und ihr Verstand war immer noch wie leergefegt, sodass sie sich zu Annas großer Überraschung ihre Sportschuhe schnappte und mit Tarvish eine Runde Gassi ging. Michelle hatte keine Lust, dass irgendeine ihrer Mitarbeiterinnen sie so sah.
Viel weiter als bis zum Park kamen sie allerdings nicht. Dort setzte sich Michelle auf eine Bank und starrte in die Ferne. Es würde schon helfen, wenn sie eine Nacht lang einmal anständig schlafen würde, doch seit Wochen schon hatte sie kaum mehr als ein paar Stunden die Augen zumachen können und sich bis vier Uhr morgens immer nur herumgewälzt. Weder an ihrem cremeweißen Bettwäsche-Ideenbuch noch an ihrem eigenen Schlafzimmer hatte sie mehr eine Freude – nach allem, was Rory über die Kissen gesagt hatte. Seine Worte waren nicht nur falsch und vollkommen irrelevant , sondern zudem auch noch unfassbar unhöflich – insbesondere aus dem Mund eines Mannes, der im Besitz eines Laserschwertes war. Sie wünschte sich inständig, sie hätte die Geistesgegenwart besessen und ihm etwas Passendes darauf erwidert, als er damit rausgerückt war.
In der Theorie konnte man sich deutlich leichter über Rory empören als in Wirklichkeit. Denn in natura kam er einem doch seltsam vernünftig vor.
Michelle ließ den Blick über den Park wandern, wo Seniorenpärchen von ihren Hunden über die Wege gezerrt wurden, Mütter Buggys mit Kleinkindern schoben und sich geduldige Labradore auf den Wegen zum Kinderspielplatz tummelten.
Neben ihr – natürlich nicht auf der Bank, das wäre unhygienisch, sondern zu ihren Füßen – saß Tarvish, rülpste und schien sich nicht im Entferntesten dafür zu schämen. Seit ihm ein paar Zähne gezogen worden waren, hatte er neuen Lebensmut gefunden und machte sich über die ekelhaftesten Dinge her, wenn Michelle ihm den Rücken zudrehte. Weiß Gott, was er alles in Rorys schweinestallartiger Junggesellenbude verputzte.
Ich bin einunddreißig, dachte Michelle, und zum ersten Mal in ihrem Leben empfand sie einen plötzlichen Anfall von Einsamkeit. Ich bin einunddreißig, fühle mich aber wie verdammte fünfzig. Wann wird das jemals besser werden?
Dabei kannte Michelle bereits die Antwort: Wenn sie den Mut hatte, sich endgültig von Harvey zu trennen. Die entsprechenden Dokumente lagen schon seit einer Woche in einem dicken, großen Umschlag vom Anwalt auf dem Küchentisch. Doch in jener Woche hatte sie die schlimmsten Alpträume seit Jahren gehabt und war wieder an die Party zu ihrem
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