Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Antiquariatsbestände bezogen.
Als sie sich noch über Kaffee, Schals, Donald Trumps Reality-Show The Apprentice , Phils Gartenhütte, Annas Stammkunden und Pongo unterhalten hatten, war vieles leichter gewesen. Doch jetzt blieb ihnen dazu keine Zeit mehr.
»Ich vermisse es, mit dir in Ruhe zu quatschen«, erklärte Anna plötzlich und griff nach Michelles Hand. »Pongo übrigens auch. Lily sagt sogar, er habe ihr erzählt, dass Juliet nicht so schön mit ihm Gassi geht wie du.«
»Hat er das?« Michelle machte einen erfreuten Eindruck. »Na gut, vielleicht kann ich ihn am Wochenende mal zum Joggen mitnehmen.« Sie blickte zum Korb hinunter, in dem Tarvish zusammengerollt lag. Seine Augen waren in dem schwarzen Fell kaum zu erkennen. »Schließlich verlangt dieser hier nicht nach sonderlich großen athletischen Leistungen. In den letzten Wochen hat er gerade mal eine Runde durch meinen Garten geschafft. Das ist sogar Rory aufgefallen – oben bei ihm schläft Tarvish nur noch.«
»Er ist den ganzen Tag schon so still«, stellte Anna fest. »Sehr still.«
»Besorgniserregend still?«
»Nein, nur … Er erinnert mich immer mehr an ein paar der alten Leute oben in Butterfield. Es ist, als würde er nur daliegen und auf etwas warten.« Anna spürte einen Kloß in ihrem Hals, als Tarvish den Kopf ein wenig hob, bevor er ihn wieder sinken ließ.
»Mr. Quentin ist es sofort aufgefallen, als ich Tarvish neulich mitgenommen habe«, fuhr sie fort. »Er saß nur ganz still auf seinem Schoß. Meinst du, dass er sich langsam aus dem Leben verabschiedet?«
»Ich weiß es nicht.« Michelle bückte sich und streichelte Tarvish über den Kopf. Tarvish ließ dies mit Würde über sich ergehen. »Ich war mit ihm beim Tierarzt, doch George meinte, es sei alles in Ordnung, er käme nur langsam in die Jahre. Aber meiner Meinung nach ist mit einem Hund nichts in Ordnung, wenn er nicht einmal gedünstetes, von Hand zerkleinertes Hühnchenfleisch auf einem Reisbett fressen kann.«
»Michelle! Das gibst du ihm zu fressen?« Anna war trotz ihrer Niedergeschlagenheit amüsiert. »Weiß Rory, dass du ihm Gourmetfutter zubereitest?«
»Nein. Und verrat ihm ja nichts davon!«, warnte Michelle. »Er macht mir schon genügend Vorhaltungen darüber, wie ich mich um einen Hund zu kümmern habe – als hätte ich noch nie einen Hund besessen.«
»Das wusste ich gar nicht.«
Michelle wich ihrem Blick aus. »Harvey und ich hatten einen Spaniel namens Flash.«
»Davon hast du nie etwas erzählt!« In letzter Zeit erfuhr sie immer mehr über Michelle, was sie bislang noch nicht gewusst hatte. Diese kleinen Informationshäppchen stoben immer wieder auf wie Federn, die einem Kissen entwichen.
»Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn zurückgelassen habe. Jahrelang habe ich ihn vermisst. Ich vermisse ihn immer noch.«
»Das ist doch kein Wunder«, erwiderte Anna. »Manchmal wird man von einem Hund mehr geliebt als von einem Menschen. Umgekehrt ist es oftmals einfacher, ein Tier zu lieben als einen Menschen.«
Michelle schien etwas sagen zu wollen, nestelte dann aber fahrig an einer Rolle mit rosafarbenem Satinband herum, das nach einem kürzlich geschnürten Buchbouquet noch übrig geblieben war. »Es tut mir leid, dass ich dir in letzter Zeit keine gute Freundin gewesen bin. Aber du weißt, dass du jederzeit auf einen Kaffee zu mir kommen kannst, wenn du es zu Hause nicht mehr aushältst. Wir müssen uns dann auch nicht zwangsläufig über Babys oder die Arbeit unterhalten. Wenn du magst, können wir gern über Bücher reden.«
»Oh.« Anna war überrascht. »Über Bücher? Hast du das Hörbuch von Reiter zu Ende gehört?«
»Ja.«
»Und? Hat es dir gefallen?« Anna wollte Michelle dazu bringen zuzugeben, ein Buch gemocht zu haben. »Leugnen ist zwecklos. Ich wehre mich gegen jeden, der Jilly nicht mag.«
»Es … hat eine Menge Erinnerungen geweckt«, gestand Michelle.
»Hervorragend! Dann bestelle ich dir noch ein paar aus der Serie. Warum bestellen wir nicht einfach sämtliche Romane von Jilly Cooper und machen eine Jilly-Cooper-Oktober-Orgie daraus?« Beim Gedanken an die nächste Auslage leuchtete Annas Gesicht begeistert auf. »Oder … einen neckischen November? Wir könnten das Schaufenster recht verrucht gestalten und entsprechende Romane ordern – à la ›Wer braucht schon eine Heizung, wenn es derart heiß im Roman zugeht?‹. Für den Herbst haben wir nämlich noch nichts Konkretes geplant. Darüber wollte ich
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