Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
dieser mussten schließen. Hiermit verdiene ich meinen Lebensunterhalt, und ich muss dafür sorgen, dass es funktioniert. Du hast immer noch Phil und die Mädchen. Sie brauchen jetzt deine gesamte Energie. Lass dich von nichts ablenken, gegen das du dich ohnehin nicht wehren kannst.«
»Und du bist sicher, dass du dies hier nicht als Ablenkung von deinen Problemen benutzt?«, fauchte Anna.
»Nein! Nein, das tue ich nicht. Du denn? Du würdest nämlich besser daran tun, Phil von einem eigenen Baby zu überzeugen. Jedenfalls lässt sich hier mit Büchern allein kein Umsatz machen. Ganz ehrlich.«
Anna starrte ihre Freundin über die Verkaufstheke hinweg an. Ihr wurde mit einem Mal klar, dass sie bislang Michelle nie als die Dampfwalze erlebt hatte, vor der Gillian und Kelsey sich so fürchteten. Diese Michelle hier besaß eine Art, die jeden Widerstand zwecklos erscheinen ließ. Als seien sämtliche Entscheidungen bereits getroffen, während man sich noch unterhielt. Wenn sich plötzlich Decken und Bettwäsche in den Regalen hinter ihr materialisiert hätten, wäre sie nicht überrascht gewesen.
»Sag du mir nicht, wie ich mich in meiner Beziehung verhalten soll!« Anna verspürte einen Anflug von abwehrender Wut, die die Worte aus ihr hervorsprudeln ließ, ohne vorher darüber nachzudenken. »Wenn du mehr Zeit damit verbracht hättest, Owen im Blick zu behalten, anstatt über Bettdecken nachzudenken, wäre ich zumindest noch in der Lage, ein Baby zu bekommen! Aber nun bleibt mir nichts anderes übrig, als die nächsten achtzehn Jahre lang auf mein eigenes Enkelkind aufzupassen.«
Michelle klappte die Kinnlade herunter. »Entschuldigung? Sagst du das etwa, weil du selbst ein schlechtes Gewissen hast, dass du Becca nicht über die Tatsachen des Lebens aufgeklärt hast? Oder meinst du das etwa wirklich ernst? Denn wenn das so sein sollte, hoffe ich inständig, dass Becca dies nie zu Ohren kommt!«
»Ich finde nicht, dass du in der Position bist, dich derart scheinheilig über Beziehungen zu äußern, Michelle, und das weißt du auch.«
»Was soll das denn bedeuten?«
»Es bedeutet das, was es bedeutet«, erwiderte Anna patzig, zur Weißglut gereizt. »Ich habe dir alles erzählt. All meine Sorgen, die ich wegen Phil und der Mädchen habe, und wie sehr ich mir ein Baby wünsche. Aber du hältst alle auf Abstand, weil du dann in nichts verwickelt werden und ganz rational auf alles reagieren kannst. Ist das vielleicht der Grund, warum dir der Buchladen nicht so wichtig ist wie dein eigener Laden? Weil Kunden hier hereinkommen und sich unterhalten wollen? Hier kauft niemand einen Lampenschirm und kehrt dann wieder in sein perfektes Heim zurück – hier teilt man Dinge. Darum ist das alles hier sehr viel mehr wert als Geld. Aber das spielt für dich ja keine Rolle, weil du das noch nie verstanden hast.«
Da. Jetzt war er heraus. Der Ärger, der so lange unter der Oberfläche gebrodelt hatte. Eine Sekunde lang fühlte sich Anna besser, weil sie endlich ihrem Ärger Luft gemacht hatte. Doch gleich im nächsten Moment stellte sich bei ihr blankes Entsetzen darüber ein, was sie dadurch mit ihrer Freundschaft angerichtet hatte.
»Du hast überhaupt nicht zugehört, was ich gesagt habe«, stellte Michelle kühl und seltsam teilnahmslos fest.
»Ich habe alles gehört, was ich hören musste«, entgegnete Anna und stürmte davon.
Als Anna nach Hause kam, wartete dort weder eine entschuldigende SMS noch ein Spruch auf dem Anrufbeantworter von Michelle auf sie. Auch nicht am nächsten Morgen. Anna erzählte Phil nichts von ihrem Streit – es hätte zu kleinkariert geklungen, außerdem unterhielten sie sich während des Frühstücks nicht mehr –, sondern ging traurig zur Arbeit, wo sie ihre Kündigung auf der Theke vorfand.
Als sie ankam, hatte Kelsey die Schicht übernommen, die normalerweise von Michelle absolviert wurde, und die Abteilung »Lokales« war dahin umgezogen, wo vorher ihr riesig großer Paddington Bär gesessen hatte. Eine cremefarbene Stufenleiter mit spitzenbesetzten Nachthemden stand nun neben der Eingangstür.
Hätte sie diese bei Home Sweet Home entdeckt, hätte Anna am liebsten gleich den ganzen Stapel gekauft, aber jetzt fühlte sie sich einfach nur überrumpelt. Selbst ein Zettel mit dem Vermerk, dass Paddington für Beccas Kinderzimmer sei, konnte den schmerzlichen Stich nicht lindern.
Während der Woche fanden weitere kleine Veränderungen statt – immer über Nacht, wenn Anna nicht im Laden
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