Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
war. Die Esoterikecke verschwand in den Lagerraum und tauchte nun nur noch in virtueller Form auf der Website auf. Ihren Platz nahmen nun Lavendelduftsäckchen und Bettsöckchen aus Kaschmir ein. Einigen Kunden gefiel diese Sortimentserweiterung – insbesondere der Dolly-Müttergruppe –, doch einige der Stammkunden erkundigten sich schon, was es mit dem plötzlichen Einzug von Lammwollpantoffeln auf sich hatte.
»Was kommt denn als Nächstes? Daunendecken in der Krimiabteilung?«, fragte Rory, der während einer Mittagspause vorbeischaute, um sich mit neuem Lesestoff einzudecken. Unter dem Arm hielt er einen Stapel Horatio-Hornblower -Romane von C. S. Forester, aus denen er in Butterfield vorlesen wollte. Außerdem hatte Anna ihm Die kleine Raupe Nimmersatt für Zachary empfohlen, sodass er auch dieses Buch in den Händen hielt, wenngleich weniger überzeugt.
»Sie will damit die Umsätze in die Höhe treiben.«
»Tatsächlich?« Rory schnaubte verächtlich. »Ich glaube, ich muss mal ein ernstes Wörtchen mit ihr über dieses Thema wechseln. Wenn sie hier irgendetwas loswerden möchte, dann sollte sie sich von dieser schrecklichen Cupcake-Backabteilung trennen. Aber die Geschichtsromane einfach so zu entfernen …«
Entrüstet schüttelte er den Kopf. Für Annas Geschmack schien seine Reaktion aber eher persönliche als professionelle Gründe zu haben.
»Könnten Sie mal mit ihr reden?«, fragte sie vorsichtig. »Ihnen hört sie wenigstens zu.«
»Da bin ich mir nicht sicher«, entgegnete er, und Anna fiel auf, wie sich auf seinen Wangen hektische rote Flecken bildeten.
Anna empfand nun noch mehr Sympathie für ihn, seitdem Michelle ihr im Vertrauen die Wahrheit über Esther und Zachary erzählt hatte. Sie hatte Rory schon immer gemocht; er reagierte genauso nüchtern auf alles wie Michelle, war dabei aber nicht ganz so kühl. Auch Kelsey konnte sich mittlerweile für ihn erwärmen, und selbst Gillian hatte Wetten darauf abgeschlossen, ob Tarvish wohl Rory und Michelle zusammenbringen würde, da sie beide »ein wenig Gesellschaft brauchen könnten«.
Anna hatte immer, ein wenig romantisch verklärt, daran geglaubt, dass Michelles wehes Herz nur einen kleinen Stups in Form echter Leidenschaft brauchte, um wieder zu neuem Leben erweckt zu werden. In letzter Zeit fragte sie sich allerdings immer öfter, ob sie mit dieser Vermutung vielleicht falschgelegen hatte. Vielleicht war Michelle mit Tarvish besser dran. Und möglicherweise verdienten Rory, sein trockener Humor und sein Ärger über falsch gesetzte Kommata etwas Besseres.
»Denken Sie an den Buchladen, Rory«, beschwor sie ihn. »Tun Sie es für uns.«
Traurig lächelte er sie an und schob sich den langen Pony aus dem Gesicht. »Wie heißt es so schön bei Alice im Wunderland ? ›Zuzeiten habe ich vor dem Frühstück bereits bis zu sechs unmögliche Dinge geglaubt‹. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Aber ich kann Ihnen nichts versprechen!«
»Keiner von uns kann das«, erwiderte Anna. »Das ist das Problem.«
29
» Die heimlichen Museumsgäste von E. L. Konigsburg ist ein so pfiffiger Roman! Mir gefiel die Idee, von daheim abzuhauen und in einem Museum zu leben, ziemlich gut – alles erschien immer viel magischer und zauberhafter, wenn niemand anderes da war.«
Allison Hunter
E in kühler Wind fegte um die Bäume und beugte sie wie Zuhörer in Richtung des Hauses, als Anna und Tarvish an einem Donnerstagmittag über den Kiesweg nach Butterfield hinaufgingen. Dies war ein recht finsterer, unheilvoller Anblick, an den sie sich halbwegs aus einem Roman erinnerte, obwohl ihr partout nicht einfallen wollte, aus welchem. Sie schauderte beim Gedanken daran und zog sich den Schal enger um den Hals. Tarvish ging noch langsamer als sonst, und seine Beine staksten steif unter dem schwarzen Fell, sodass sie ihn schließlich hochhob und bis ins Haus trug.
In der Eingangshalle schien alles ruhig zu sein. Die Heizung bollerte mit voller Kraft, und in der Luft hing der durchdringende Geruch von Eintopf. Tarvish wand sich, bis er zu Boden gesetzt wurde, und trottete dann den Flur hinunter zum Aufenthaltsraum. Da heute kein Rollatorverkehr auf dem Flur herrschte, ließ Anna ihn allein Mr. Quentin suchen und unterzeichnete währenddessen im Besucherbuch ihre Ankunft.
»Anna?«
Joyce eilte an ihr vorbei; ihre Miene ließ schlechte Nachrichten erahnen. Anna betrachtete sie eingehender und bemerkte, dass Joyces Wangen feucht und ihre Augen gerötet
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