Der Prinz und das Maedchen von nebenan
Operation hat er zwar gut überstanden, doch was geschieht, wenn er sich aufregt? Ich will nicht auch noch seinen Tod verursachen, nachdem ich schon meinen Bruder auf dem Gewissen habe“, schloss er verbittert.
„Sterben wird er deswegen bestimmt nicht!“, wandte Caro ein. „Er nutzt seine Krankheit aus, um dich zu manipulieren. Das ist nicht fair!“
„Wahrscheinlich hast du recht“, stimmte er ihr nach einer Weile zu. „Im besten Fall verliert er die Beherrschung, ohne dass es ihm überhaupt schadet. Damit kann ich leben, aber verzeihen wird er mir nie.“
Caro konnte gut nachempfinden, wie schwer Philippe die Entscheidung fiel, und sie bedauerte ihn unendlich. Zwar ließ er sich nicht anmerken, wie sehr ihn die Verachtung seiner Familie kränkte, doch sie wusste, dass er sich danach sehnte, von seinem Vater akzeptiert zu werden. Und er wünschte sich Vergebung dafür, dass er lebte, während sein Bruder gestorben war.
Den Blick auf die Berge gerichtet, fuhr er fort. „Bei dieser Entscheidung geht es jedoch nicht nur um meinen Vater und mich. Ich muss an die Menschen denken, die ich in den letzten Wochen kennengelernt habe. Es sind nette, einfache Leute, die sich seit Jahrhunderten darauf verlassen, dass meine Familie sie weise regiert. Ihnen gehört Montluce, und sie wollen es nicht unnötig verschandeln und ausbeuten lassen. Ich möchte sie nicht im Stich lassen. Entweder ich handle in ihrem Sinn oder im Sinn meines Vaters. Beiden gerecht werden kann ich nicht.“
Caro hätte ihm die Entscheidung gern abgenommen, doch das war unmöglich. Also dachte sie gründlich nach, ehe sie antwortete. „Dein Vater verlässt sich darauf, dass du das Richtige tust, sonst hätte er dich nicht zum Regenten ernannt“, setzte sie freundlich an, doch er schüttelte den Kopf.
„Er vertraut mir nicht.“
„Dann gib ihm Grund dazu“, meinte sie, streckte die Hand nach seiner aus und verschränkte ihre Finger mit seinen. „Ich vertraue dir.“
Philippe blickte auf ihre ineinander verschlungenen Hände hinab. „Du berührst mich.“
„Ich weiß.“
„Hier ist niemand, der uns sehen könnte.“
„Ich weiß“, wiederholte sie lächelnd.
Ebenfalls lächelnd neigte er sich vor, und Caro kam ihm entgegen, bis ihre Lippen sich zu einem Kuss trafen. Sie ließ seine Hand los, schlang ihm die Arme um den Nacken und presste sich an ihn. Sein zärtlicher, süßer Kuss brachte eine Saite in ihr zum Klingen, und sie öffnete sich ihm und gab sich ganz ihren Empfindungen hin. Für sie existierte nichts mehr außer Philippe: sein Geschmack, sein Körper an ihrem, das Wissen, hierher zu gehören.
„Wir müssen leider umkehren“, murmelte er geraume Zeit später, und als er ihre Hand ergriff und sie zum Wagen zurückführte, protestierte sie nicht.
Dann nahm er den Autoschlüssel aus seiner Hosentasche und überreichte ihn ihr. „Möchtest du fahren?“
Starr vor Staunen sah sie ihn an. „Du lässt mich fahren?“
„Wenn du willst.“
Langsam griff sie nach dem Schlüssel. „Ich dachte, eine Frau darf nur dann dein Auto fahren, wenn du völlig verrückt nach ihr bist.“
„Vielleicht bin ich das.“
Natürlich war die Aufregung groß, als Philippe sich weigerte, das Abkommen über die Pipeline in seiner aktuellen Form zu unterzeichnen. Die Königinwitwe kochte förmlich vor Wut, aus Paris kamen beunruhigende Nachrichten über den Gesundheitszustand des Königs, und Lefèbre und die gesamte Regierung warteten ängstlich auf die Reaktion der Energiekonzerne.
Das Volk jedoch jubelte. Auf der Rückfahrt von ihrem Ausflug hatten Caro und Philippe beim Camp der Demonstranten Halt gemacht. Philippe hatte sich deren Argumente angehört und versprochen, die Einwände so weit wie möglich zu berücksichtigen.
Ungeachtet der wütenden Proteste des Premierministers hatte er neue Verhandlungen über die Pipeline aufgenommen und nach langem, zähem Ringen erreicht, dass sie unterirdisch verlegt wurde – nicht nur in Montluce, sondern über ihren gesamten Verlauf hinweg. Auf diese Weise würden Jobs entstehen und die Energieversorgung wäre gesichert, gleichzeitig war es ihm gelungen, die wesentlichen Forderungen der Umweltschützer durchzusetzen.
Das Medienecho war enorm, Philippes Mut machte Schlagzeilen in ganz Europa. Winzling Montluce ringt Energieriesen Zugeständnisse ab , titelten selbst die wichtigsten Zeitungen. Das kleine Land stand im Fokus der Weltöffentlichkeit, und Touristen strömten in Scharen herbei,
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