Der Prinz und der Soeldner
Kabine angingen. Ungari stand in voller Kleidung in der Tür. Hinter ihm stand nervös und unsicher ihr Sprungpilot, nur in Unterwäsche und mit einem verschlafenen Ausdruck im Gesicht.
»Ziehen Sie sich später an«, knurrte Ungari den Piloten an. »Sorgen Sie nur dafür, dass wir vom Dock loskommen und steuern Sie uns dann über die Zehntausend-Kilometer-Grenze hinaus. Ich werde in ein paar Minuten bei Ihnen oben sein und Ihnen helfen, den Kurs festzulegen.«
Er fügte hinzu, halb zu sich selbst gesprochen: »Sobald ich weiß, wohin, zum Teufel, wir fliegen. Los, Bewegung!«
Der Pilot machte sich aus dem Staub. Ungari trat an Miles’ Bett.
»Vorkosigan, was, zum Teufel, ist in dem Zimmer im Gästequartier passiert?«
Miles kniff die Augen zusammen, sowohl gegen das grelle Licht wie auch gegen Ungaris zornigen Blick, und unterdrückte einen Impuls, sich unter der Bettdecke vor beiden zu verstecken. »Hä?« Sein Mund war noch trocken vom Schlaf.
»Ich habe gerade eine Vorwarnung bekommen – Vorwarnung von nur ein paar Minuten –, dass vom zivilen Sicherheitsbüro von Pol Sechs ein Haftbefehl für Victor Rotha ausgestellt wurde.«
»Aber ich habe die Dame doch gar nicht angefasst!«, protestierte Miles verwirrt.
»Liga wurde ermordet in eurem Begegnungszimmer aufgefunden.«
»Was!«
»Das Sicherheitslabor hat gerade die Zeitbestimmung abgeschlossen – für etwa den Zeitpunkt, als ihr euch getroffen habt. Treffen wolltet. Der Haftbefehl wird in wenigen Minuten auf dem Netz sein, und wir werden hier eingesperrt sein.«
»Aber ich habe es nicht getan. Ich habe Liga nicht einmal getroffen, nur seinen Boss, Livia Nu. Ich meine – wenn ich so etwas getan hätte, dann hätte ich es Ihnen doch sofort gemeldet, Sir!«
»Danke«, sagte Ungari trocken. »Freut mich, das zu wissen.« Seine Stimme wurde schärfer. »Natürlich will jemand Ihnen was anhängen.«
»Wer …« Ja. Es konnte noch eine schlimmere Methode für Livia Nu gegeben haben, Liga diese äußerst geheime Viddiskette abzunehmen.
Aber wenn sie nicht Ligas Vorgesetzte war oder vielleicht überhaupt kein Mitglied seiner polianischen kriminellen Organisation, wer war sie dann? »Wir müssen mehr wissen, Sir! Dies könnte der Anfang von etwas sein.«
»Dies könnte das Ende unserer Mission sein. Verdammt! Und jetzt können wir uns nicht über Pol nach Barrayar zurückziehen. Der Weg ist abgeschnitten. Wohin als nächstes?«
Ungari ging auf und ab und dachte dabei offensichtlich laut nach. »Ich möchte nach Aslund gehen. Sein Auslieferungsvertrag mit Pol ist im Augenblick aufgehoben … aber dann sind da Ihre Komplikationen mit den Söldnern. Nachdem die jetzt Rotha mit Naismith in Verbindung gebracht haben. Dank Ihrer Nachlässigkeit.«
»Dem zufolge, was Chodak gesagt hat, glaube ich, dass man Admiral Naismith nicht unbedingt mit offenen Armen begrüßen würde«, stimmte Miles widerstrebend zu.
»Die Station des Konsortiums von Jackson’s Whole hat mit niemandem einen Auslieferungsvertrag. Ihre Tarnung ist völlig kaputt. Rotha und Naismith sind beide nutzlos. Wir müssen also zum Konsortium. Ich werde dieses Schiff dort stehenlassen, untertauchen und auf eigene Faust Richtung Aslund kehrtmachen.«
»Und was ist mit mir, Sir?«
»Sie und Overholt werden sich von mir trennen und auf den langen Weg nach Hause machen müssen.«
Nach Hause. Nach Hause in Schande.
»Sir … wegzulaufen sieht schlecht aus. Angenommen, wir rühren uns nicht vom Fleck und entlasten Rotha von der Beschuldigung? Wir wären nicht mehr abgeschnitten, und Rotha wäre immer noch eine brauchbare Tarnung. Es ist doch möglich, dass man uns genau dazu drängen will, dass wir abhauen.«
»Ich sehe nicht, wie irgend jemand etwas von meiner Quelle im polianischen zivilen Sicherheitsbüro hätte wissen können. Ich glaube, man wollte uns hier am Dock festhalten.«
Ungari schlug einmal mit seiner rechten Faust in die linke Hand, diesmal als Geste der Entschlossenheit. »Auf zum Konsortium!«
Er drehte sich um und ging hinaus. Seine Stiefeltritte stapften das Deck hinab. Eine Veränderung in der Vibration und im Luftdruck und ein etwas gedämpftes Klirren zeigten Miles an, dass ihr Schiff nun von Pol Sechs abhob.
Miles sagte laut zu der leeren Kabine: »Aber was, wenn die anderen Pläne für beide Eventualitäten haben? Ich würde sie haben.« Er schüttelte zweifelnd den Kopf und stand auf, um sich anzuziehen und Ungari zu folgen.
KAPITEL 9
Die Sprungpunktstation
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