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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Zauberformeln. Er war eine vor die Sonne gehaltene Maske, und seine Stimme ließ selbst weit Entferntes in Rauch und Trümmer sinken.
    Das gesammelte Wissen der Sareoten wurde zu Schutt und Asche. Ein Feuersturm verschlang Schriftrollen in brennenden Wirbeln. Bücher taumelten wie lederne Motten in die Trümmer. Funkenkaskaden gingen zwischen den stehen gebliebenen Regalen nieder, und Blitze fuhren spinnenartig durch die Luft und zehrten knisternd an seinem Abwehrzauber. Die letzten Regale fielen um, und dahinter erblickte Achamian seine Angreifer – sieben Männer, die in scharlachrote Seide gehüllten Tänzern auf einem Feld voller Scheiterhaufen glichen: die Ordensmänner der Scharlachspitzen.
    Einen Moment lang sah Achamian Stürme von grellen Blitzen, Köpfe von Phantomdrachen, die den Kopf zur Erde neigten und Feuer spien, und einen Schwarm brennender Spatzen. Die Großen Analogien zerrten glänzend und mächtig an seinem Abwehrzauber. Und durch sie hindurch glitzerten die Abstraktionen.
    Ein ganz links stehender Ordensmann der Scharlachspitzen schrie auf. Der unsichtbare Schutzwall um ihn herum zerbröckelte unter dem Ansturm von Achamians Zaubersprüchen. Hinter ihm brach die Mauer der Bibliothek nach außen weg, und er segelte wie ein Blatt Papier in den abendlichen Himmel.
    Achamian ließ seine Angriffsformeln einen Moment lang ruhen und begann zu singen, um den Abwehrzauber zu retten.
    Höllenfeuer schlug wie ein Katarakt über ihm zusammen. Der Boden gab nach, und Steindecken stürzten ein. Er fiel durch Feuer und schlitterte durch uralte Ruinen, doch er sang noch immer.
    Er war ein Nachkomme von Seswatha, Schüler von Noshainrau dem Weißen und der Mörder von Skafra, dem mächtigsten Wracu. Er hatte den schrecklichen Höhen von Golgotterath sein Lied entgegengeschmettert und stolz und reulos vor Mog-Pharau gestanden.
    Etwas schlug kreischend in der Nähe ein, und Achamian hatte plötzlich den Eindruck, so unsicher auf den Beinen zu stehen wie bei hohem Seegang an Deck. Mit einem Achselzucken ließ er Steinplatten und Trümmerhaufen durch die Luft wirbeln. Alle Materie schien zu verschwinden, als würde sie abgestreift wie die Kleider der Liebenden – und all das, weil er sang!
    Und dann war das Firmament zu sehen, das aus dem Zentrum des Infernos betrachtet herrlich kühl wirkte.
    Und der Nagel des Himmels ließ eine der wenigen Wolken silbern schimmern.
    Die Sareotische Bibliothek war zu einem Schmelzofen inmitten von Trümmern geworden. Und über ihr hingen wie an Drähten die Zauberer der Scharlachspitzen und prügelten auf ihn mit einer bösen Formel nach der anderen ein. Geisterhafte Drachenköpfe stiegen am Himmel empor und überschütteten ihn mit blendenden, Knochen brechenden Feuerstößen. Eine gleißende Sonne nach der anderen fiel ihn an.
    Mit schweren Verbrennungen und aus Mund und Augen blutend kniete Achamian inmitten von Steinen und Schriften und knurrte einen Abwehrzauber nach dem anderen, doch sie zersprangen wie Glas oder zerrissen wie altes Leinen. Vom Firmament selbst schien der unerbittliche Chor der Scharlachspitzen zu tönen, als würden wütende Schmiede auf ihre Ambosse einhämmern.
    Und durch all dies hindurch sah Drusas Achamian flüchtig die von rosa- und orangefarbenen Haufenwolken gerahmte Sonne völlig ungerührt untergehen.
    Ich habe ein gutes Lied gesungen, dachte er noch.
    Vergib mir, Kellhus.

13. Kapitel
     
    SHIGEK
     
     
     
    Menschen zeigen immer mit dem Finger auf andere. Deshalb folge ich dem Knöchel, nicht dem Nagel.
     
    Ontillas: Von der menschlichen Torheit
     
     
    Ein Tag ohne Mittag, Ein Jahr ohne Herbst, Liebe ist immer jung, Oder es ist keine Liebe.
     
    Ode an den größten Verlust (Verfasser unbekannt)
     
     
     
    SHIGEK, SPÄTSOMMER 4111
     
    Es war hell.
    »Esmi…«
    Sie bewegte sich. Wovon hatte sie noch mal geträumt? Ach ja, davon, in den Hügeln oberhalb des Schlachtfelds in einem Teich zu schwimmen.
    Eine Hand legte sich auf ihre bloße Schulter und drückte sie sanft.
    »Esmi… Du musst aufwachen.«
    Dabei war es so herrlich warm… Sie blinzelte und verzog das Gesicht, als sie merkte, dass es noch Nacht war. Lampenschein. Jemand hatte eine Laterne dabei. Was mochte Akka treiben?
    Sie rollte auf den Rücken, sah Kellhus mit ernster Miene neben ihr knien und zog sich die Decke über die Brust.
    »Was…«, begann sie, räusperte sich und setzte neu an: »Was ist los?«
    »Die Bibliothek der Sareoten«, sagte er mit Grabesstimme. »Sie

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