Der Prinz von Atrithau
um Achamian zurückzubekommen, geben sie nach. Ganz bestimmt!«
Proyas stand auf und wich vor dem wutentbrannten Anblick seines alten Fechtlehrers zurück. Er wusste sehr wohl, wie solche Dinge liefen, und hatte Eleäzaras mit Krieg gedroht.
Nun lachte er bitter.
»Bist du wahnsinnig geworden, Xin? Verlangst du wirklich von mir, den alten Lehrer meiner Jugend – einen Hexenmeister! – über meinen Gott zu stellen?«
Xinemus ließ den Tisch los und erhob sich. »Nach all den Jahren versteht Ihr immer noch nicht, oder?«
»Was gibt es da zu verstehen?«, rief Proyas. »Wie oft müssen wir dieses Gespräch noch führen? Achamian ist unrein! Unrein!« Eine berauschende Sicherheit ergriff ihn, eine vehemente, unanfechtbare Gewissheit. »Wenn Gotteslästerer ihresgleichen töten, haben wir Öl und Holz gespart.«
Xinemus zuckte zurück, als wäre er geschlagen worden.
»Also wollt Ihr nichts unternehmen.«
»Genau. Und ich verbiete dir, dich weiter mit dieser Sache zu befassen, Xinemus. Wir bereiten den Angriff auf das Südufer vor. Der Padirajah hat alle Sapatishahs zwischen Girgash und Eumarna zu den Waffen gerufen. Ganz Kian sammelt sich!«
»Dann trete ich als Marschall von Attrempus zurück«, erklärte Xinemus steif. »Mehr noch: Ich verweigere Euch und Eurem Vater den Gehorsam und widerrufe meinen Eid auf das Haus Nersei. Ich werde mich nicht länger als Ritter von Conriya bezeichnen.«
Proyas spürte seine Hände und sein Gesicht taub werden. Das war doch wohl völlig unmöglich.
»Denk darüber nach, Xin«, sagte er atemlos. »Deine Güter, all deine Habe, die Privilegien deines Standes – alles, was du hast und was du bist, ist dann verwirkt.«
»Nein, Prosha«, sagte Xinemus und wandte sich zum Gehen. »Ihr seid es, der alles aufgibt.«
Dann war er verschwunden.
Der Schilfdocht der Öllampe zischte und spuckte. Es wurde dunkler.
Wie viel auf ihm lastete! Die endlosen Streitereien mit seinen Adelsgenossen. Die Bedrohung durch die Heiden. All die unzähligen Bürden! Die nicht enden wollende Furcht vor dem, was kommen mochte. Und Xinemus war immer der eine gewesen, der alles verstand, Irritationen beseitigte und schulterte, was niemand tragen konnte.
Akka.
Gütiger Seja… Was hatte er getan?
Nersei Proyas fiel auf die Knie und hielt sich den Magen, der ihn stechend schmerzte. Die Tränen aber wollten nicht kommen.
Ich weiß, dass du mich prüfst! Ich weiß es genau!
Zwei Körper, die eine Wärme geben.
Hatte Kellhus die Liebe nicht so beschrieben?
Esmenet merkte, wie zögerlich Xinemus sich setzte – als wäre er nicht sicher, willkommen zu sein. Er strich sich abgespannt durchs Gesicht, und sie sah die Verzweiflung in seinen Augen.
»Ich habe ermittelt, so viel ich konnte«, sagte er düster.
Das sollte heißen, dass es Unruhe unter den Männern gegeben hatte und es den Anschein zu wahren galt.
»Aber du musst mehr unternehmen! Du darfst nicht aufgeben, Xin. Nicht, nachdem…«
Der Schmerz in seinen Augen vervollständigte ihren Satz.
»Der Heilige Krieg greift in den nächsten Tagen das Südufer an, Esmi«, sagte er und spitzte die Lippen.
Damit sagte er, der Fall Achamian sei praktischerweise in den Hintergrund getreten, wie das mit allen unlösbaren und peinlichen Angelegenheiten geschehen musste. Aber wie konnte man Drusas Achamian kennen, in seiner Gesellschaft leben und sich dann einfach abwenden? Doch sie waren Männer, und Männer konnten ihr Leben nicht mit dem anderer Menschen verbinden – jedenfalls nicht richtig.
»Vielleicht…«, sagte sie, wischte sich die Tränen ab und versuchte tapfer zu lächeln, »vielleicht ist Proyas ja einsam… vielleicht muss er sich…«
»Nein, Esmi.«
Sie weinte heiße Tränen und schüttelte langsam den Kopf.
Ich muss etwas unternehmen! Es muss doch etwas geben, das ich tun kann!
Xinemus schaute an ihr vorbei auf den besonnten Boden, als suchte er nach verlorenen Worten.
»Warum bleibst du nicht bei Kellhus und Serwë?«, fragte er.
Vieles hatte sich in kurzer Zeit verändert. Das Lager von Xinemus war verschwunden, nachdem er seinen Posten zur Verfügung gestellt hatte. Kellhus war mit Serwë zu Proyas gezogen, was Esmenet bestürzt hatte, obwohl sie die Motive des Dûnyain verstehen konnte. So sehr Kellhus Akka auch geliebt hatte: Inzwischen war die Menschheit sein Aufgabenbereich. Doch wie sehr hatte Esmenet gebettelt und sich vor ihm erniedrigt! In äußerster Verzweiflung hatte sie sogar versucht, ihn zu
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