Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
für alle Seelen. Brennt diesen gottlosen Ort nieder.« In diesem Augenblick soll aus einem Regal eine Schriftrolle gefallen und vor seinen Stiefeln gelandet sein. Als der Padirajah sie öffnete, fand er eine genaue Karte von Gedea, mit deren Hilfe er bald darauf die Nansur in einigen furchtbaren Schlachten besiegte.
    So blieb die Bibliothek zwar verschont, doch da den Ordensmännern unter der Herrschaft der Sareoten der Zutritt verboten war, war es nicht anders, als wenn sie in Flammen aufgegangen wäre.
    Achamian war klar, dass die Bibliothek sehr wohl gnostische Schriften beherbergen mochte. Solche Texte waren auch früher schon entdeckt worden. Die Hexenmeister der Mandati waren eigentlich nur deshalb so gelehrt und bildungsbeflissen, weil sie die Gnosis eifersüchtig hüteten. Sie gab ihnen eine Macht, die die Größe ihres Ordens um ein Vielfaches übertraf. Käme ein Orden wie die Scharlachspitzen in den Besitz dieser Lehre, wäre nicht abzusehen, was geschehen würde. Den Mandati würde es jedenfalls nicht gut ergehen – so viel war sicher.
    Doch all dies würde sich nun verändern, da ein Anasûrimbor zurückgekehrt war.
    Achamian führte sein Maultier auf einen kleinen Hof. Die Pflasterung war schon seit langem zu rotem Staub zermahlen. Nur da und dort sah ein Stein wie der Panzer einer Schildkröte aus dem Boden. Die Bibliothek selbst hatte die wuchtige Front eines ceneischen Tempels. Hohe Säulen stützten ein bröckelndes Tympanon, das mit Figuren übersät war, die einmal Götter oder Menschen gewesen sein mochten. Zwei große Schwertkämpfer aus Galeoth lehnten im Schatten der Säulen, die den Eingang flankierten, und nahmen den Besucher gelangweilt zur Kenntnis.
    »Seid gegrüßt«, rief Achamian in der Hoffnung, sie seien des Scheyischen mächtig. »Ich bin Drusas Istaphas, der Chronist von Prinz Nersei Proyas von Conriya.«
    Als sie schwiegen, hielt Achamian inne. Der Schwertkämpfer mit der Narbe vom Haaransatz bis zum Kinn entmutigte ihn vor allem. Freundliche Männer sahen anders aus. Aber wie sollten Krieger auch davon begeistert sein, etwas so Nutzloses wie Bücher zu bewachen?
    Achamian räusperte sich. »Sind schon viele Besucher in der Bibliothek gewesen?«
    »Nein«, sagte der narbenlose Mann und zuckte unterm Kettenhemd die Achseln. »Bloß ein paar diebische Kaufleute.« Er spuckte etwas in den Staub, und Achamian sah, dass er an einem Pfirsichkern gelutscht hatte.
    »Ich kann euch versichern, dass ich nicht zu solchen Leuten gehöre. Bestimmt nicht…« Mit einer Mischung aus Neugier und Respekt fügte er hinzu: »Erlaubt ihr mir, einzutreten?«
    Der Mann wies mit dem Kopf auf das Maultier. »Der darf hier nicht rein. Esel dürfen unsere heiligen Hallen nicht vollscheißen.« Er grinste und wandte sich an seinen narbigen Freund. Der starrte Achamian weiter an und sah aus wie ein gelangweilter Junge, der nicht weiß, ob er einen toten Fisch aufspießen soll.
    Achamian nahm ein paar Sachen von seinem Maultier und hetzte an den Wächtern vorbei die Stufen hinauf. Die großen Türen waren mit angelaufener Bronze beschichtet. Eine davon stand weit genug offen, dass sich ein Einzelner durchdrängen konnte. Als Achamian sich ins Halbdunkel schob, hörte er den mit der Narbe »dreckiger Pickel!« murren.
    Doch das alte Schimpfwort der Norsirai kümmerte ihn nicht. Dazu war er zu aufgeregt und hätte am liebsten losgekichert. Erst jetzt schien er sich der Tatsache völlig bewusst zu werden, dass dies die Sareotische Bibliothek war. Diese verdammten Sareoten, die über tausend Jahre lang Text über Text gehortet hatten! Was mochte er finden? Wirklich alles konnte in diesem Gebäude liegen – längst nicht nur gnostische Werke. Die neun Klassiker, die frühen Dialoge von Inceruti – sogar die verschollenen Werke des Ajencis!
    Er ging durch das Halbdunkel eines großen, gewölbten Foyers, dessen Mosaikboden einmal das Porträt von Inri Sejenus mit ausgestreckten, von einem Heiligenschein umkränzten Händen gezeigt hatte, ehe die Fanim, die die Bibliothek offenbar nie benutzt hatten, es verunstaltet hatten. Er kramte eine Kerze aus der Satteltasche und entzündete sie mit einem Zauberwort. Das Licht in der Hand, tauchte er in die heiligen Räume der Bibliothek ein.
    Die Sareotische Bibliothek war ein Gewirr stockdunkler Flure und roch nach Staub und dem Geist vermodernder Bücher. Im Lichtkreis seiner Flamme ging Achamian durch die Finsternis und lud sich die Arme voller Schätze. Nie hatte er

Weitere Kostenlose Bücher