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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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vergessen?«
    »Dass der Heilige Krieg die Ebenen von Mengedda durchquert und wir bald die Gegend erreichen, in der der Nicht-Gott zu Tode gekommen ist.« Er schaute zu den Hügeln im Süden. Bald würden die Unaras-Berge, an denen die Welt der Inrithi endete, am Horizont auftauchen. Und auf der anderen Seite…
    »Wie hab ich das bloß vergessen können?«
    »Es gibt so viel zu erinnern«, sagte Kellhus. »Viel zu viel.«
    »Weil viel zu viel vergessen wurde«, stieß Achamian hervor, der sich seine Nachlässigkeit nicht verzeihen wollte. Ich muss mich konzentrieren! Die ganze Welt…
    »Du bist zu…«, begann Kellhus, verstummte dann aber.
    »Was bin ich? Zu hart? Du weißt ja nicht, wie das war! Elf Jahre lang wurde jedes Kind tot geboren – elf Jahre lang, Kellhus! Das Erwachen des Nicht-Gottes hatte jeden Mutterleib zum Grab gemacht… Und man hat ihn gespürt – egal, wo man war. Er war ein allgegenwärtiger Schrecken. Man brauchte nur zum Horizont zu blicken und wusste, wo er war.
    Der Hohe Norden wurde verwüstet – ich will diesen Jammer nicht im Detail beschreiben. Mehtsonc, die große Hauptstadt von Kyranae, war einen Monat zuvor heimgesucht, jedes Haus zerstört, jedes Götzenbild zerschlagen, jede Frau vergewaltigt worden. Alle großen Völker wurden vernichtet… Kaum etwas blieb stehen, Kellhus! Nur erschreckend wenige Menschen überlebten!
    Mit ihren Vasallen und Verbündeten im Süden haben die Leute aus Kyranae den Feind erwartet, und Seswatha stand zur Rechten von König Anaxophus V. Jahre zuvor waren sie enge Freunde geworden, als Celmomas den Adel von Eärwa zum Ersten Heiligen Krieg versammelt hatte, durch den die Rathgeber zerstört werden sollten, ehe sie Tsurumah wecken konnten. Gemeinsam beobachteten die Verbündeten sein Herannahen…«
    Tsurumah…
    Achamian verstummte unvermittelt und wandte sich nach Norden. »Stell dir das vor«, sagte er und öffnete die Arme zum Himmel. »Der Tag war ähnlich wie heute. Allerdings lag Blütenduft in der Luft. Eine riesige Gewitterwand stand rabenschwarz am Horizont. Ich weiß noch, wie die Blitze zwischen den Hügeln niedergingen. Und unter den Vorboten des Sturms galoppierten Massen von Scylvendi nach Ost und West und waren entschlossen, unsere Flanken anzugreifen. Hinter ihnen tauchten mit hohem Tempo Legionen von Sranc auf und heulten… heulten… «
    Kellhus legte ihm begütigend die Hand auf die Schulter. »Du brauchst mir das nicht zu erzählen.«
    Achamian sah ihn mit leerem Blick an und blinzelte Tränen aus den Augen. »Doch, Kellhus, ich muss dir das erzählen. Du musst davon erfahren, denn das hat mich stärker geprägt als alles andere… Verstehst du?«
    Der Dûnyain nickte mit strahlenden Augen.
    »Die Dunkelheit ging wie eine Walze über uns hinweg«, fuhr Achamian fort, »und verschlang die Sonne. Die Scylvendi schlugen als Erste zu: Berittene Kämpfer setzten unseren Linien mit Pfeil und Bogen zu, während ganze Abteilungen von Lanzenreitern in bronzener Rüstung in unsere Flanken preschten. Als die Welle der Angreifer sich lichtete und zurückzog, schien alle Welt sich in Sranc verwandelt zu haben. In Menschenhaut gekleidet, sprangen sie massenweise durchs Gras und über die Hügel. Die Kämpfer aus Kyranae senkten die Speere und erhoben die großen Schilde.
    Unsere Furcht und Entschlossenheit waren unbeschreiblich, Kellhus. Wir kämpften mit unbedingter Hingabe und stimmten keine Hymnen mehr an, intonierten keine Gebete – diesen Dingen hatten wir abgeschworen. Stattdessen sangen wir Klagelieder, die unser Schicksal bitter beweinten. Wir wussten, dass nach unserem Tod nur eines von unserer Tapferkeit künden würde: die Höhe der Verluste, die wir unserem Gegner beigebracht hatten.
    Dann tauchten – wie aus dem Nichts – Drachen aus den Wolken. Drachen, Kellhus – Wracu: der alte Skafra mit seiner in tausend Schlachten vernarbten Haut, die prächtigen Echsen Skuthula, Skogma und Ghoset sowie alle anderen, die die Pfeile und die Magie des Hohen Nordens überlebt hatten. Die Magier aus Kyranae und Shigek stiegen zum Himmel auf und stürzten sich in den Kampf gegen die Bestien.«
    Achamian sah mit leerem Blick in die Ferne. Vor seinem inneren Auge jagten überwältigende Bilder vorbei.
    »Das war nur wenig südlich von hier«, sagte er kopfschüttelnd. »Vor zweitausend Jahren.«
    »Und was ist dann passiert?«
    Achamian sah Kellhus an. »Das Unmögliche. Ich, nein, Seswatha hat Skafra zur Strecke gebracht. Und der Schwarze

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