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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Ausgang des Platzes und war froh, dass die Nansur sich sklavisch an den Himmelsrichtungen orientierten. Überall war das Kriegsgeschrei der Kianene zu hören. Die namenlose Frau weinte verzweifelt.
    Die Mannschaftszelte der Nansur schlossen die Nordseite des Platzes wie eine Reihe spitz gefeilter Zähne ab. Die Lücke zwischen ihnen kam immer näher. Die Frau sah mal nach vorn, mal zu den nachsetzenden Kianene, und ihr schwarzhaariges Baby tat es ihr erstaunlicherweise gleich. Seltsam, dachte Cnaiür, dass Kleinkinder wissen, wann sie still sein müssen. Plötzlich tauchten auch aus dem nördlichen Zugang des Platzes Reiter der Fanim auf. Cnaiür machte einen Schlenker nach rechts, sprengte an luftigen, weißen Zelten vorbei und suchte nach einer Möglichkeit, seitlich auszubrechen. Als er keine fand, galoppierte er auf die Ecke des Platzes zu. Immer mehr Kianene donnerten durch den östlichen Eingang und breiteten sich über den Platz aus, und seine direkten Verfolger kamen stets näher. Wieder jagten Pfeile über ihnen durch die Luft. Er riss erneut seinen Rappen herum und stieß die Frau mit dem Gesicht voran ins staubige Gras. Das Baby fing nun doch an zu schreien. Er warf ihr ein Messer zu, um Leinwände durchzuschneiden.
    Überall dröhnten die Hufe und Schreie der Heiden.
    »Lauf!«, brüllte er ihr zu. »Lauf!«
    Staub fegte über ihn hinweg.
    Er drehte sich um und lachte.
    Dann zog er sein Breitschwert, wich einem niedersausenden Krummschwert aus und stach dem Angreifer in die Achselhöhle, riss sein Schwert herum, zertrümmerte die Klinge des nächsten Gegners und spaltete ihm die Wange. Als der Narr sich ins Gesicht fasste, durchstieß Cnaiür ihm den versilberten Brustpanzer. Blut schoss wie eine Weinfontäne aus einem durchlöcherten Schlauch. Er packte den Schild des nächsten Gegners und schwang sein Schwert wie eine Keule. Der Mann fiel rückwärts vom Pferd und landete auf allen vieren, wobei ihm der Helm vom Kopf rutschte und zwischen den stampfenden Hufen landete. Cnaiür stieß ihm sein Schwert durch den Nacken in den Schädel.
    Er erhob sich in den Steigbügeln und spritzte das Blut seiner Klinge in die Gesichter der erstaunten Kianene.
    »Wer von euch wagt es, mir entgegenzutreten?«, brüllte er in seiner heiligen Sprache.
    Er hieb auf die herrenlosen Pferde ein, die ihm den Weg zu den Feinden versperrten. Eins stürzte krachend zu Boden; ein anderes schoss wiehernd auf die dichte Reihe der Heiden zu.
    »Ich bin Cnaiür von Skiötha«, brüllte er, »der grausamste Kämpfer auf Erden!«
    Sein keuchender Rappe machte einen Schritt nach vorn.
    »Ich trage eure Väter und Brüder auf den Armen!«, setzte er hinzu und schrie dann, ganz Kehle geworden: »Wer von euch wird mich töten?«
    Dieser Frage folgte ein durchdringender Schrei. Cnaiür blickte sich um und sah die namenlose Frau am Eingang des nächsten Zeltes stehen. Mit dem Messer, das er ihr zugeworfen hatte, bedeutete sie ihm, er solle ihr folgen. Einen Moment lang glaubte er, er habe sie schon immer gekannt und sei seit Jahren mit ihr zusammen. Sonnenlicht strahlte durch die Rückwand des Zeltes, von dort also, wo sie die Leinwand zerschnitten hatte. Dann bemerkte er einen Schatten in der Luft und hörte etwas Seltsames.
    Die Schreie der Kianene bekundeten eine neue Art Entsetzen.
    Cnaiür schob die Linke unter den Gürtel und umklammerte das Chorum seines Vaters.
    Einen Moment lang sah er der Frau und dem Jungen, den sie auf dem Rücken trug, in die weit aufgerissenen, verständnislosen Augen und spürte unvermittelt, dass er auch ein Sohn war.
    Er wollte aufschreien.
    Doch ein Katarakt schimmernder Flammen verwandelte sie in Schatten.
     
     
    Ein Ort.
    Und unendlich viele Kreuzungen.
    Kellhus war fünf gewesen, als er Ishuäl erstmals verlassen hatte. Der Pragma Uän hatte ihn und seine Altersgenossen zusammengerufen, sie geheißen, sich an einem langen Seil festzuhalten, und sie ohne Erklärung die Terrassen hinunter und durch ein gelbbraunes Tor in den Wald geführt und erst angehalten, als sie zu einem Hain mächtiger Eichen kamen. Dort hatte er ihnen erlaubt, eine Weile herumzulaufen – um die Sinne zu schärfen, wie Kellhus inzwischen wusste. Für das Zwitschern von hundertsiebzehn Vögeln. Für den Geruch des Mooses auf den Stämmen und des Humus unter ihren Sohlen. Für Farben und Formen – für die Sonnenstrahlen zum Beispiel, die das kupferne Halbdunkel durchdrangen und auf schwarze Wurzeln trafen.
    Trotz all der neuen

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