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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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plötzlicher Trauer. Alles wirkte so müde.
    In der Nähe entdeckte er das alte Zelt, das er mit Kellhus geteilt hatte. Seine Leinwände knarrten und flatterten im Wind. Ein Kessel lag neben der Feuerstelle. Rauch trieb über den Boden und wallte zwischen die Nachbarzelte.
    Cnaiürs Herz pochte. Hatte sie die Schlacht wie die Übrigen von der südwestlichen Ecke des Lagers aus beobachtet? Hatten die Kianene sie geraubt? Eine Schönheit wie sie wurde doch sicher entführt – schwanger oder nicht. Sie war Gespielin von Prinzen. Ein außergewöhnliches Geschenk.
    Eine Beute!
    Ihre Stimme ließ ihn zusammenfahren. Ihr Kreischen!
    Einen Moment lang stand er wie vom Donner gerührt und konnte sich nicht bewegen. Er hörte eine Männerstimme. Sie war sanft und einschmeichelnd, klang zugleich aber unheimlich grausam.
    Der Boden senkte sich zu seinen Füßen, und Cnaiür stolperte ein, zwei Schritt zurück. Seine Haut juckte so sehr, dass es sich anfühlte, als würde sie brennen.
    Der Dûnyain.
    »Bitte!«, schrie Serwë. »Bitte!«
    Der Dûnyain!
    Wie war das möglich?
    Cnaiür kroch vorwärts. Sein Brustkorb schien versteinert. Er konnte nicht atmen! Das Messer zitterte in seiner Rechten. Er streckte die Hand aus und schob die Zeltklappe mit der Klinge beiseite.
    Drinnen war es so dunkel, dass er zunächst nichts erkennen konnte. Er nahm nur Schemen wahr und hörte Serwë stoßweise schluchzen.
    Dann sah er sie nackt vor einem riesigen Schatten knien. Sie hatte ein geschwollenes Auge. Blut strömte ihr aus Kopf und Nase und lief ihr über Brust und Nacken.
    Was war hier los?
    Ohne zu überlegen, glitt Cnaiür in den halbdunklen Pavillon. Bei seinem Eintreten wirbelte der Dûnyain herum. Er war so nackt wie Serwë.
    »Sieh da, der Scylvendi«, sagte Kellhus schleppend und mit glänzenden Augen. »Ich hab dich gar nicht gerochen.«
    Cnaiür stach nach seinem Herzen. Irgendwie zuckte die Hand des Dûnyain hoch und streifte ihn am Handgelenk. Das Messer traf Kellhus knapp unterhalb des Schlüsselbeins.
    Er taumelte rückwärts und hob das Gesicht zum bauchigen Zeltdach. Sein Schrei klang wie hundert Schreie aus einer unmenschlichen Kehle. Dann sah Cnaiür, wie sein Gesicht sich öffnete, als bestünde es aus einer Legion von Gelenken, die vom Schopf bis zum Hals reichten. Durch die modellierten Züge hindurch sah er Augen ohne Lider und Zahnfleisch ohne Lippen.
    Das Wesen schlug ihn, und er fiel auf ein Knie, zog aber sogleich sein Breitschwert.
    Doch die Gestalt war schon durch die Zeltklappe gehüpft und hatte dabei wie ein Tier gewirkt.
     
     
    Weil die Gegner ihnen die Pferde unterm Hintern weggeschossen hatten, waren die Ritter der Ainoni bald gezwungen, sich zu Fuß zu behaupten. Immer öfter preschten die Kianene heulend zwischen sie und nahmen sich ihre weiß geschminkten Gesichter in der grellen Sonne zum Ziel. Blut verklebte die prächtigen, zu sauberen Vierecken gestutzten Bärte der Ainoni. Mit Piktogrammen bemalte Standarten wurden zertrampelt. Der Staub mischte sich mit Schweiß zu Dreck. Sepherathindor wurde schwer verletzt aus den vorderen Reihen geschleppt, wo er – wie es bei den Ainoni hieß – mit Sarothesser gelacht hatte, wie es all ihre Adligen angesichts des sicheren Todes zu tun bestrebt waren.
    Einige – Galgota zum Beispiel, der Pfalzgraf von Eshganax – stürmten die Abhänge hinunter und ließen ihre abgeworfenen Verwandten und Lehnsmänner im Stich. Andere – der grausame Zursodda etwa – dezimierten ihre Leute durch rücksichtslose Gegenangriffe, bis kaum ein Berittener übrig blieb. Wieder andere hingegen – wie der hartherzige Uranyanka oder der redliche Chinjosa, Pfalzgraf von Antanamera – warteten einfach jeden Angriff der Heiden ab. Sie riefen ihren Männern ermutigende Worte zu und kämpften um jeden Meter staubiger Erde. Ohne Unterlass griffen die Kianene an. Pferde wieherten, Lanzen brachen, Männer jammerten und schrien, und das Klirren der Krumm- und Langschwerter schallte über die Hänge. Und immer wieder zogen die Fanim sich zurück und waren erstaunt darüber, dass diese besiegten Männer sich weigerten, besiegt zu sein.
    Im Nordwesten attackierten die Khirgwi die Inrithi mit bisweilen gestört anmutender Unerbittlichkeit. Viele sprangen sogar von ihren Kamelen, um die verblüfften Ritter aus dem Sattel zu holen. Kushigas – der Pfalzgraf von Annand – fand so den Tod, genau wie Inskarra, der Graf von Skagwa. Wie Proyas wurden tausende von Thunyeri umzingelt, die sich

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