Der Prinz von Atrithau
gemeinen Soldaten der Shigeki, die Skauras’ Zentrum bildeten, hatten angesichts der vereinten Macht der Nansur und Thunyeri und dem über die Flanken vorgetragenen Angriff von Proyas und seinen Rittern aus Conriya die Flucht angetreten. Im Glauben, der Heilige Krieg habe gewonnen, waren die Inrithi losgaloppiert, um sie zu verfolgen, und hatten dabei ihre Truppenteile verlassen. Die Schlachtlinie zerfiel in ungeordnete Verbände, zwischen denen viele Lücken klafften. Nicht wenige Soldaten fielen auf dem ausgetrockneten Boden auf die Knie, um Gott laut zu danken. Nur wenige hörten die Hörner zum allgemeinen Rückzug blasen – vor allem, weil die meisten Bläser diesen Befehl schlicht nicht geglaubt und deshalb erst gar nicht ins Horn gestoßen hatten.
Unterdessen geriet das donnernde Trommeln der Heiden keinen Moment lang ins Stocken.
Die Granden von Khemema und zehntausende Khirgwi – grausame Stammeskämpfer aus den Wüsten im Süden, die mit Kamelen unterwegs waren – kamen aus den Scharen flüchtender Shigeki geritten und galoppierten zwischen die weit über die Ebene verteilten Männer des Stoßzahns. Von seiner Infanterie getrennt, zog Proyas sich in die Lehmziegelgassen eines nahe gelegenen Dorfs zurück und rief Gott und seine Männer lautstark an. Nachdem die Thunyeri sich truppweise kreisförmig hinter ihren Schilden eingeigelt hatten, kämpften sie trotz ihrer Bestürzung, auf einen Feind gestoßen zu sein, der ebenso leidenschaftlich kämpfte wie sie, mit großer Hartnäckigkeit weiter. Prinz Skaiyelt rief verzweifelt nach seinen Grafen und deren Rittern, die aber von den Böschungen aufgehalten wurden.
Aus einer großen Schlacht waren Dutzende kleinere geworden, die verzweifelter und weit furchtbarer ausgefochten wurden. Wohin die Hohen Herren auch blickten, galoppierten Trupps der Fanim über das offene Weideland. Waren die Heiden in Überzahl, griffen sie siegreich an. Wo sie nicht angreifen konnten, kreisten sie ihre Gegner ein und setzten ihnen mit tödlichen Bogenschützen zu.
Verzweifelt stürzten sich viele Ritter auf eigene Faust in die Schlacht, wurden aber durch Pfeile vom Pferd geholt und zertrampelt.
Cnaiür galoppierte durchs Lager und fluchte darüber, dass er sich ständig in den endlosen Leinwandgassen verirrte. Er brachte sein Pferd zwischen Zelten der Galeoth zum Stehen und suchte nach den charakteristischen Spitzen der von den Leuten aus Conriya bevorzugten Rundzelte. Wie aus dem Nichts kamen drei Frauen angeschossen und verschwanden hinter ein paar Zelten. Dann kam eine Vierte. Sie hatte schwarzes Haar und schrie etwas Unverständliches in einer Sprache der Ketyai. Cnaiür sah nach Süden, wo Dutzende dunkler Rauchwolken standen. Der Wind ließ kurz nach, und die Zeltbahnen ringsum hörten auf, sich zu bewegen.
Cnaiür sah einen blauen Umhang an einer rauchenden Feuerstelle liegen. Jemand war dabei gewesen, einen roten Stoßzahn auf die Brustpartie zu nähen.
Dann hörte er tausende von Menschen aufschreien.
Wo war sie?
Er wusste, was geschah – wichtiger noch: wie es geschah. Die ersten Feuer waren ein Signal gewesen, das die Inrithi auf dem Schlachtfeld davon hatte überzeugen sollen, sie seien besiegt. Sonst hätte man ihre Zelte vor der Zerstörung gründlich untersucht. Trotz dieser Strategie umzingelten die Kianene das Lager, um nur keine Beute zu verlieren – vor allem keine, die zappelte und schrie. Wenn er Serwë nicht bald fand…
Er galoppierte nach Nordosten, riss seinen Rappen um einen mit gestickten Tieremblemen paneelierten Pavillon herum, sprengte eine gewundene Gasse entlang und sah drei Kianene zu Pferde sitzen. Sie drehten sich um, als sie ihn heranreiten hörten, blickten aber gleich wieder weg, als hielten sie ihn versehentlich für einen der ihren. Sie schienen zu streiten. Cnaiür zog sein Breitschwert, galoppierte heran und tötete zwei von ihnen beim ersten Vorbeireiten. Zwar hatte ihr orange bemäntelter Kamerad im letzten Moment noch geschrien, doch sie hatten keine Zeit gehabt, ihren Mörder auch nur anzusehen. Cnaiür brachte sein Pferd zum Stehen, um erneut anzugreifen, doch der letzte Fanim floh. Er kümmerte sich nicht weiter um ihn, sondern ritt geradewegs nach Osten, weil er endlich erkannt hatte, wo im Lager er sich befand.
Ein durch Mark und Bein gehendes Kreischen – kaum hundert Schritte entfernt – ließ ihn vorübergehend in Trab fallen. In den Steigbügeln stehend, nahm er flüchtige Gestalten wahr, die zwischen
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