Der Prinz von Atrithau
machen konnte. »Mag sein. Aber dessen ungeachtet ist unsere gemeinsame Zeit nun zu Ende. Wir treffen schon Vorbereitungen, zu unseren Ordensbrüdern jenseits von Khemema zu reisen.«
Obwohl Achamian wie ein Sack an seinen Ketten hing und sein Leib von den durchlittenen Qualen taub war, sah er Iyokus wie von einem fernen, unverrückbaren Ort aus an, der jenseits seines Körpers lag.
Iyokus war unruhig geworden.
»Wir Hexenmeister haben zwar keine… religiösen Neigungen«, sagte er nun, »aber ich möchte dir wenigstens einen Gefallen tun. In den nächsten Tagen wird ein Sklave mit einem Chorum und einem Messer zu dir in den Keller kommen. Das Chorum ist für dich, das Messer für deinen Freund gedacht. Bis dahin kannst du dich auf deine Reise vorbereiten.«
Ungewöhnliche Worte für jemanden von den Scharlachspitzen! Auf gewisse Weise wusste Achamian, dass dies kein neues sadistisches Spiel war. »Wirst du das auch Xinemus sagen?«
Iyokus sah ihn scharf an, bekam dann aber eine sanfte Miene. »Vermutlich. Ihm wenigstens dürfte ein Platz im Jenseits sicher sein.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit. In der Ferne öffnete sich eine Tür, die auf einen erleuchteten Korridor führte, und Achamian sah flüchtig das Profil seines Inquisitors. Einen Moment lang sah er aus wie jeder andere.
Überlebe, Esmi. Überlebe mich.
CARASKAND, SPÄTHERBST 4111
Im Rausch ihrer Gräueltaten sammelten sich die nach Süden wandernden Männer des Stoßzahns um Caraskand, kamen von den Höhen heruntermarschiert und sahen sich den hoch aufragenden Befestigungen der Stadt gegenüber, die ihrem Kampfesmut einen Dämpfer aufsetzten. Die Wälle – riesige, kupferfarbene Gürtel aus Sandstein – zogen sich über die Hänge und verloren sich schließlich im Dunst.
Die Inrithi merkten bald, dass diese Befestigungen – anders als die Mauern von Shigeks großen Städten – verteidigt wurden.
Standarten wurden in den steinigen Boden gerammt. Vasallen, die in der Wüste von ihren Herren getrennt worden waren, fanden ihre Gebieter wieder. Man errichtete provisorische Zelte und Pavillons. Tempel- und Kultpriester sammelten die Gläubigen um sich und stimmten Klagegesänge für die vielen Tausende an, die in der Wüste umgekommen waren. Der Rat der Hohen und Niederen Herren gedachte ausgiebig des Überlebens der Carathay und beschäftigte sich dann damit, wie Caraskand zu erobern sei.
Nersei Proyas brach zu Pferd auf, um sich mit Imbeyan beim Elfenbeintor zu treffen, das nach seinem riesigen Wachturm aus weißem Kalkstein benannt war. Über einen Dolmetscher forderte der Prinz von Conriya den Sapatishah zur Kapitulation auf und versprach, alle Mitglieder des Hauses Imbeyan und das Leben der Stadtbewohner zu schonen. Imbeyan, der einen prächtigen blaugelben Umhang trug, lachte und erklärte, was die Wüste begonnen habe, würden die uneinnehmbaren Mauern von Caraskand zu Ende bringen.
Die größtenteils auf steilen Abhängen errichtete Befestigung der Stadt verlief nur im Nordwesten, wo die Hügel von mehreren Meilen angeschwemmtem Flachland abgelöst wurden, ebenerdig. Dieses Schwemmland – die Ebene von Tertae – war voller Felder, Wäldchen und verlassener Höfe und Güter. Dort errichteten die Inrithi ihre größten Lager und bereiteten sich darauf vor, die Tore zu stürmen.
Pioniere begannen, Tunnel auszuheben. Ochsen und Männer wurden in die Hügel geschickt, um Holz für die Belagerungsmaschinen zu fällen. Reiter wurden entsandt, um die Gegend zu erkunden und zu plündern. Sonnenverbrannte Gesichter heilten. Von der Wüste geschwächte Glieder erstarkten durch harte Arbeit und die ansehnliche Kriegsbeute, die sich in Enathpaneah machen ließ. Die Inrithi begannen wieder, ihre Lieder zu singen. Priester führten Prozessionen um Caraskand herum, fegten den Boden mit Reisern und belegten die Stadtmauer mit Flüchen. Die Heiden machten von der Befestigung herab höhnische Bemerkungen und warfen mit Gegenständen, wurden aber kaum beachtet.
Zum ersten Mal seit Monaten sahen die Inrithi echte Wolken, die sich am Himmel kräuselten wie Milch im Wasser.
Abends am Feuer traten die Geschichten von Leid und Erlösung in Khemema langsam zugunsten von Gesprächen über das Wunder ihres Überlebens und zugunsten endloser Spekulationen über Shimeh zurück. Caraskand wurde im Traktat so oft erwähnt, dass es das Tor zum Heiligen Land schien. Das gesegnete Amoteu – die Heimat des Letzten
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