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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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drängten sich in ihren prachtvollen Gotteshäusern, weinten und beteten – für sich, für ihre Habe und für ihre Stadt. Der Heilige Krieg war im Anmarsch.
     
     
    IOTHIAH, SPÄTHERBST 4111
     
    Sie hatten ihn einige Zeit in der Kapelle gelassen, wo er an Ketten hing und allmählich zu ersticken drohte. Die Kohlenbecken glommen nur noch schwach, und die Dunkelheit ringsum wurde nur mehr durch schwach orangefarbene Linien und Oberflächen konturiert. Erst als Iyokus zu sprechen begann, merkte Achamian, dass der Chanvsüchtige sich wieder zu ihm gesellt hatte.
    »Du bist sicher neugierig, wie es dem Heiligen Krieg ergeht.«
    Achamian ließ den Kopf auf der Brust liegen.
    »Neugierig?«, krächzte er.
    Der Hexenmeister war kaum mehr als eine Stimme in der Nähe.
    »Der Padirajah ist wohl sehr gerissen. Er hat nicht einfach auf Sieg gesetzt, sondern über die Schlacht von Anwurat hinaus geplant. Verstand zeigt sich darin, auch für den Fall Pläne zu machen, dass die eigenen Hoffnungen scheitern, verstehst du? Ihm war klar, dass der Heilige Krieg das wüstenhafte Khemema durchqueren muss, um den Marsch nach Shimeh fortzusetzen.«
    Ein kurzes Husten.
    »Ja… Ich weiß.«
    »Tja, als der Heilige Krieg Hinnereth belagerte, fragten sich viele, warum der Padirajah sich nicht auf eine Seeschlacht einließe. Man kann zwar nicht behaupten, die Flotte der Kianene beherrsche das Meneanor-Meer, aber machtlos ist sie sicher nicht. Die gleiche Frage stellte sich, als wir Shigek eroberten, geriet aber erneut in Vergessenheit, weil alle mit guten Gründen annahmen, Kascamandri habe seine Flotte für unterlegen gehalten. Über die Jahrhunderte hinweg haben die Kianene auf See schließlich nur sehr wenige Siege über das Kaiserreich errungen. Nun allerdings hat sich herausgestellt, dass diese Annahme falsch war.«
    »Wieso?«
    »Der Heilige Krieg entschied sich, durch Khemema zu marschieren und die kaiserliche Flotte für den Wassernachschub zu nutzen. Anscheinend hat der Padirajah das vorausgesehen. Als der Heilige Krieg so weit in die Wüste gezogen war, dass er nicht mehr umkehren konnte, hat die Flotte der Kianene die der Nansur angegriffen…«
    Iyokus lächelte so bitter wie boshaft.
    »… und zwar mit Hilfe der Cishaurim.«
    Achamian blinzelte und sah Schiffe mit roten Segeln im grellen Licht der Psûkhe brennen. Eine plötzliche Sorge – Furcht hatte er keine mehr – ließ ihn den Kopf heben und den Ordensmann der Scharlachspitzen ansehen, der ihm in seinem schimmernden weißen Seidengewand wie ein Geist erschien.
    »Und der Heilige Krieg?«, krächzte er.
    »Der wurde aufgerieben.«
    Esmenet? Ihr Name war ihm schon lange nicht mehr in den Sinn gekommen. Anfangs war sein süßer Klang ihm Zuflucht gewesen, doch als Iyokus den Marschall zum Verhör geschleppt hatte, um Freundschaft als Foltermittel einzusetzen, hatte er aufgehört, an sie zu denken, sich von aller Zuneigung zurückgezogen…
    … und sich wesentlicheren Dingen zugewandt.
    »Offenbar«, fuhr Iyokus fort, »haben auch meine Ordensbrüder schwer gelitten, denn dieser Standort wird aufgelöst.«
    Achamian sah auf ihn hinunter, ohne zu merken, dass ihm Tränen über die geschwollenen Wangen liefen. Iyokus beobachtete ihn genau und stand dabei knapp außerhalb des Uroborianischen Kreises.
    »Was heißt das?«, krächzte Achamian. Esmenet? Meine Liebe…
    »Dass deine Qual zu Ende ist«, sagte Iyokus und zögerte dann. »Du sollst wissen, Drusas Achamian, dass ich gegen deine Verschleppung war. Ich habe manche Befragung von Ordensmännern der Mandati geleitet und weiß, wie ermüdend und sinnlos sie sind… Und unangenehm… äußerst unangenehm.«
    Achamian stierte ihn nur an und sagte und fühlte nichts.
    »Weißt du«, meinte Iyokus, »ich bin nicht überrascht darüber, dass der Marschall von Attrempus deine Version dessen, was unter den Andiamin-Höhen geschehen ist, bestätigt hat. Du glaubst also wirklich, dass Skeaös, der Oberste Berater des Kaisers, ein Kundschafter der Rathgeber war, ja?«
    Achamian schluckte unter Schmerzen. »Ich weiß es. Und eines nahen Tages wirst auch du es wissen.«
    »Gut möglich. Aber erst mal hat mein Hochmeister beschlossen, dass diese Kundschafter Cishaurim gewesen sein müssen. Man darf Tatsachen nicht durch Legenden ersetzen.«
    »Du ersetzt das Unbekannte durch das, was du fürchtest.«
    Iyokus sah Achamian scharf an und schien überrascht darüber, dass ein so hilfloser und erniedrigter Mensch noch so böse Bemerkungen

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