Der Prinz von Atrithau
Regen, hüpfte über ein paar Pfützen, machte einen Satz in eine Vertiefung, kletterte auf der anderen Seite wieder hoch, hob das Gesicht zum grauen Himmel und lachte.
Es gehört mir! Bei den Göttern, es wird mir gehören!
Als ihm klar wurde, dass dieser Moment ein Quäntchen Jnan, zumindest aber Beherrschung erforderte, hörte er auf zu rennen und ging rasch zwischen all den Behelfsunterkünften hindurch. Endlich entdeckte er Proyas’ Pavillon vor einem im Regen trostlos wirkenden Platanenwäldchen und eilte darauf zu.
Ich werde König sein!
Der Prinz von Galeoth hielt vor dem Zelt an und war erstaunt, keine Wachen zu sehen. Proyas war seinen Leuten gegenüber etwas weichherzig – womöglich hatte er sie in den Pavillon gebeten, damit sie nicht in diesem Wolkenbruch stehen mussten. Der Regen rauschte so stark vom Himmel, dass das Wasser zentimeterhoch auf dem schlammigen Boden stand und sprudelnd zu kochen schien. Überall im Gras waren überflutete Spuren zu sehen, und auf das durchhängende Zeltdach prasselte es nach Kräften.
König von Caraskand!
»Proyas!«, rief er durch den Wolkenbruch. Er spürte den Regen nun doch durch den dicken Filz unter seinem Kettenhemd dringen. Das fühlte sich an wie ein warmer Kuss. »Proyas! Verdammt, ich muss mit Euch reden! Ich weiß, dass Ihr da seid!«
Endlich hörte er von drinnen ein gedämpftes Fluchen. Als die Zeltklappe dann zur Seite gezogen wurde, war Saubon bestürzt. Dünn, ja ausgezehrt stand Proyas vor ihm und hatte nur eine dunkle Wolldecke um den zitternden Leib geschlungen.
»Es hieß, Ihr wäret wieder gesund«, sagte Saubon verlegen.
»Natürlich bin ich wieder gesund. Ich stehe wieder.«
»Wo sind Eure Wachen? Euer Arzt?«
Ein heiseres Husten quälte den leidenden Prinzen. Er räusperte sich und spuckte einen Schleimpfropf vor das Zelt. »Ich hab sie alle fortgeschickt«, sagte er und wischte sich mit dem Ärmel über die Lippen. »Ich hab Schlaf gebraucht.« Bei diesen Worten zog er vor Schmerz die Brauen hoch.
Saubon brüllte vor Lachen und hätte Proyas – Kettenhemd hin oder her – fast in die Arme geschlossen. »Jetzt werdet Ihr nicht mehr schlafen können, mein frommer Freund!«
»Saubon, Prinz, kommt bitte zur Sache. Ich bin noch immer sehr schwach.«
»Ich bin hier, um Euch eine Frage zu stellen, Proyas. Eine Frage nur.«
»Dann schießt los.«
Saubon wurde plötzlich ruhig und sehr ernst.
»Wenn ich dem Heiligen Krieg Caraskand liefere, unterstützt Ihr dann mein Ansinnen, hier König zu sein?«
»Liefern? Was meint Ihr damit?«
»Dass ich dem Heiligen Krieg die Stadttore öffne«, antwortete der Prinz von Galeoth und musterte Proyas eindringlich.
Dessen ganzes Auftreten wirkte verändert. Die Blässe fiel von ihm ab, und seine dunklen Augen begannen aufmerksam zu leuchten. »Meint Ihr das ernst?«
Saubon kicherte wie ein gieriger, alter Mann. »So ernst wie nie etwas zuvor.«
Proyas sah ihn prüfend an, als würde er Alternativen abwägen.
»Ich mag dieses Spiel nicht…«
»Beantwortet bloß meine Frage! Unterstützt Ihr mein Ansinnen, König von Caraskand zu werden?«
Proyas schwieg einen Moment lang, nickte dann aber. »Ihr liefert uns Caraskand, und ich versichere Euch, dass Ihr dort König werdet.«
Saubon hob Gesicht und Arme zum bedrohlich wirkenden Himmel und ließ seinen Schlachtruf erschallen. Das Wasser flutete auf ihn herab, kühlte wohltuend und schmeckte nach Honig. Er war in die Brandung der Umstände geraten, die ihn so brutal herumgeworfen hatte, dass er noch vor Monaten dachte, er müsste sterben. Dann hatte er Kellhus getroffen, den Kriegerpropheten, der ihn zu sich selbst führte und ihn Katastrophen überleben ließ, die zehn schwächere Männer das Leben hätten kosten können. Und nun war endlich der Moment gekommen, auf den er sein Leben lang gewartet hatte. Das war schwindelerregend und eigentlich fast unmöglich.
Es schien ein Geschenk zu sein.
Wie herrlich süß war der Regen, seit sie die Wüste durchquert hatten! Tropfen klatschten ihm auf die Stirn, die Wangen, die geschlossenen Augen, und er schüttelte Wasser aus dem filzigen Haar.
Zu guter Letzt werde ich König sein.
»Woher rührt nur dies hartnäckige Schweigen?«, fragte Proyas.
Cnaiür betrachtete ihn von der halbdunklen Mitte des Pavillons aus und merkte, dass der Prinz von Conriya in seiner Genesungszeit nicht müßig gewesen war. Er hatte nachgedacht.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte er.
»Natürlich
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