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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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dann?
    »Saubon hat mich aufgesucht«, fuhr Proyas fort. »Er hat Schreiben und nun sogar Geiseln mit einem Offizier der Kianene namens Kepfet von Tanaj getauscht. Anscheinend hassen Kepfet und seine Kameraden Imbeyan so abgrundtief, dass sie alles zu opfern bereit sind, um ihn tot zu sehen.«
    »Dann hat er also Caraskand angeboten«, konstatierte Cnaiür.
    »Einen Abschnitt der Stadtmauer, um genau zu sein – im Westen, bei einem kleinen Seitentor.«
    »Und jetzt willst du meinen Rat? Trotz Anwurat?«
    Proyas schüttelte den Kopf. »Ich möchte mehr als deinen Rat, Scylvendi. Du sagst immer, wir Inrithi teilen die Ehre wie andere ihr Schlachtvieh, und diesmal ist es nicht anders. Wir alle haben viel durchgemacht, doch wer Caraskand einnimmt, wird unsterblich sein.«
    »Und du bist zu krank dafür.«
    Der Prinz von Conriya schnaubte. »Erst spuckst du mir vor die Füße, und jetzt posaunst du meine Gebrechen aus! Manchmal frage ich mich, ob du dir deine Narben nicht dadurch verdient hast, Manieren statt Männer zur Strecke zu bringen!«
    Cnaiür war nach Spucken zu Mute, doch er verkniff es sich.
    »Ich habe mir diese Narben mit dem Töten von Narren verdient.«
    Proyas begann zu lachen, hustete aber bald Schleim. Er lehnte sich zurück und spuckte in einen Napf hinter seinem Stuhl, dessen Messingrand im Halblicht schimmerte.
    »Warum bietest du das mir an?«, fragte Cnaiür. »Warum nicht Gaidekki oder Ingiaban?«
    Proyas stöhnte und zitterte unter seinen Decken. Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und hielt sich den Kopf. Dann räusperte er sich und sah zu dem Scylvendi hoch. Zwei Tränen, die von seinem Hustenanfall kamen, rannen ihm über die Wangen.
    »Weil du…«, er schluckte, »… fähiger bist als sie.«
    Cnaiür straffte sich und spürte seine Oberlippe zucken. Er meint verfügbarer!
    »Mir ist klar, dass du das für eine Lüge hältst«, sagte Proyas rasch. »Aber es ist die Wahrheit. Wenn Xinemus noch… noch… «, begann er, blinzelte und schüttelte den Kopf, »… dann hätte ich natürlich ihn gefragt.«
    Cnaiür musterte ihn scharf. »Du fürchtest, es ist eine Falle… Du vermutest, Saubon wurde getäuscht.«
    Proyas kaute auf seiner Wange und nickte. »Eine ganze Stadt für das Leben nur eines Mannes? Kein Hass kann so groß sein.«
    Cnaiür machte sich nicht die Mühe, dem zu widersprechen.
     
     
    Geduckt und mit gezücktem Breitschwert schlich Cnaiür von Skiötha über die Zinnen zum Seitentor und dachte an Kellhus, Moënghus und Mord.
    Ich muss ihn dazu bringen, dass er mich braucht!
    Ja. Der Irrsinn lichtete sich.
    Cnaiür hielt inne und drückte den gepanzerten Rücken an die nasse Mauer. Saubon kauerte dicht hinter ihm, gefolgt von etwa fünfzig handverlesenen Kriegern. Mit langen, gleichmäßigen Atemzügen versuchte Cnaiür, seiner Unruhe beizukommen. Er warf einen kurzen Blick auf die mondbeschienenen Straßen unter ihm. Es war seltsam, die Stadt, die sich ihnen so erbittert verweigert hatte, nun wehrlos ausgebreitet zu sehen.
    Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter. Er drehte sich um und sah Saubon im Dunkeln, dessen hartes und doch grinsendes Gesicht von der Kapuze seines Kettenhemds gerahmt war. Das Mondlicht ließ den Rand seines Helms glänzen. Zwar respektierte Cnaiür den Prinzen von Galeoth als tapferen Kämpfer, mochte ihn aber so wenig wie er ihm traute. Saubon hatte schließlich mit anderen Gefolgsleuten des Dûnyain in einem Loch gehaust.
    »Wie verheißungsvoll sie daliegt!«, flüsterte Saubon und wies mit dem Kopf auf die Stadt unter ihnen. Dann sah er Cnaiür mit glänzenden Augen an. »Zweifelst du noch immer an mir?«
    »An dir habe ich nie gezweifelt, nur an der Glaubwürdigkeit dieses Kepfet.«
    Das Grinsen des Prinzen von Galeoth wurde breiter. »Wahrheit leuchtet«, sagte er.
    Cnaiür verkniff sich ein Hohnlächeln. »Wie Schweinezähne.«
    Er spuckte über das alte Mauerwerk. Dem Dûnyain konnte er nicht entrinnen, jetzt nicht mehr. Manchmal schien dieses Scheusal aus jedem Mund zu sprechen und aus allen Augen zu sehen. Und es wurde immer schlimmer.
    Ich muss doch etwas unternehmen können!
    Aber was? Ihre Abrede, Moënghus zu töten, war eine Farce. Die Dûnyain achteten nichts um seiner selbst willen. Für sie zählten nur Ergebnisse, und alles andere – von kriegerischen Völkern bis zu schüchternen Blicken – waren nur probate Werkzeuge. Cnaiür aber besaß für Kellhus keinen Nutzen, jetzt nicht mehr. Er hatte jeden Vorteil

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