Der Prinz von Atrithau
aus der Hand gegeben. Er konnte nicht mal mehr seinen Ruf bei den Hohen Herren ins Feld führen – nicht nach der Erniedrigung von Anwurat.
Nein, Kellhus brauchte nichts von ihm. Außer vielleicht…
Cnaiür schnappte vernehmlich nach Luft.
Außer meinem Schweigen.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Saubon sich besorgt zu ihm umdrehte.
»Was ist?«
Cnaiür sah ihn verächtlich an. »Nichts.«
Der Irrsinn lichtete sich.
Fluchend schob Saubon sich an ihm vorbei und schlich unter der Zinnenkrone entlang. Cnaiür folgte ihm und vernahm das eigene Atmen dabei überlaut. Regenwasser war durch die Fugen gesickert, hatte sich auf den Steinplatten gesammelt und schimmerte im Mondlicht. Er platschte durch die Pfützen, und seine Finger schmerzten vor Kälte. Je weiter sie an der Brüstung entlangschlichen, desto mehr schien sich das Gleichgewicht der Verletzbarkeit zu verschieben. Eben noch hatte Caraskand offen dagelegen, doch nun, da die Türme des Seitentors immer näher kamen und immer höher aufragten, waren sie selbst die Verwundbaren.
Sie hielten vor einer Tür und sahen sich ängstlich an, als hätten sie erkannt, dass sich nun unwiderruflich zeigen würde, was es mit Kepfet und seinem unwahrscheinlichen Hass auf sich hatte. Saubon wirkte im fahlen Licht fast panisch. Cnaiür machte ein finsteres Gesicht und zog an der Eisenklinke.
Quietschend ging die Tür auf.
Der Prinz von Galeoth stieß einen leisen Pfiff aus und lachte, als amüsierte ihn sein kurzer Anfall von Kleinmut. Mit einem geflüsterten »Sieg oder Tod!« schob er sich durch die Tür in den schwarzen Schlund. Cnaiür blickte ein letztes Mal auf das mondbeschienene Caraskand und folgte ihm pochenden Herzens.
Sie tasteten sich nacheinander im Dunkeln vorwärts und liefen Korridore und Treppenhäuser hinunter. Wie Proyas ihm befohlen hatte, blieb Cnaiür dicht bei Saubon und drängte hinter ihm durch schmale Gänge. Ihm war klar, dass die Toranlage einen simplen Grundriss haben musste, doch Anspannung und Zeitdruck ließen sie wie ein Labyrinth erscheinen.
Saubons ausgestreckte Hand stoppte ihn im Dunkeln und zog ihn an die rissige Mauer. Der Prinz von Galeoth hatte vor einer massiven Tür gehalten, deren Umriss durch das goldene Licht markiert wurde, das aus dem dahinter liegenden Zimmer durch die Ritzen drang. Cnaiür hörte den Klang gedämpfter Stimmen.
»Gott hat mir diesen Ort gegeben, Scylvendi«, flüsterte Saubon. »Caraskand wird mir gehören!«
Cnaiür musterte ihn in der Dunkelheit. »Woher weißt du das?«
»Ich weiß es eben!«
Der Dûnyain hatte es ihm gesagt. Dessen war sich Cnaiür gewiss.
»Du hast Kepfet zu Kellhus gebracht, oder?«
Er hat den Dûnyain sein Gesicht lesen lassen.
Saubon schnaubte grinsend. Ohne zu antworten, wandte er Cnaiür den Rücken zu und klopfte mit dem Schwertknauf an die Tür.
Holz kratzte über Stein, als jemand einen Stuhl abrückte. Man hörte ein ersticktes Lachen und Männer, die sich in einer Sprache der Kianene unterhielten. Während die Norsirai wie grunzende Schweine klingen, dachte Cnaiür, hören die Kianene sich wie schnatternde Gänse an.
Saubon hob sein Breitschwert wie einen Dolch. Einen Moment lang ähnelte er einem Jungen, der in einem Bach Fische aufspießen will. Die Tür sprang auf, und ein Gesicht tauchte auf.
Saubon packte den Mann am geflochtenen Spitzbart und stieß mit dem Schwert zu. Der Kianene war tot, ehe er auf den Boden schlug. Mit Geheul sprang der Prinz von Galeoth in das unwirkliche Licht hinter der Tür.
Cnaiür stolperte ihm mit den anderen nach und sah sich in einem engen, von Kerzen erhellten Raum. Eine große, aus altem Holz gehauene Rolle ragte vor ihm auf. Um sie herum liefen Ketten, die aus Öffnungen an der Decke kamen. Dahinter sah er mehrere Soldaten der Kianene in roten Uniformen nach ihren Waffen greifen. Zwei saßen einfach nur sprachlos (der eine mit Brot in der Hand) an einem rustikalen Tisch in der hinteren Ecke des Zimmers.
Saubon säbelte wild drauflos. Einer stürzte schreiend zu Boden und hielt sich das Gesicht.
Cnaiür warf sich schreiend ins Kampfgetümmel und schlug einem heidnischen Wächter – einem Jüngling mit hängenden Schultern, der nur einen Anflug von Ziegenbart sein Eigen nennen konnte – das Schwert aus der schlaffen, panisch zitternden Hand. Dann bückte er sich und stieß nach den Beinen eines zweiten Wächters, der von der Seite angerannt kam und prompt vornüber kippte. Cnaiür wandte sich wieder nach dem Jüngling
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