Der Prinz von Atrithau
nickte, trat drei Schritte zurück, drehte sich um und hetzte den Gang hinunter.
Achamian stand vor der Flügeltür und atmete tief durch.
Esmi.
Er würde sie in den Armen halten, während sie schluchzte, und ihr erzählen, was sie ihm in seiner Gefangenschaft bedeutet hatte. Er würde ihr sagen, dass er, ein Ordensmann der Mandati, sie zur Frau nehmen wolle – zur Frau! Da werden ihr die Augen übergehen, dachte er und hätte fast laut frohlockt.
Endlich!
Statt zu klopfen, stürmte er ins Zimmer wie ein liebestrunkener Galan. Düsternis und der Geruch von Vanille und Balsam empfingen ihn. Nur sechs da und dort verstreute Kerzen erleuchteten die Suite mit ihrem Deckengewölbe und ihren vielen Teppichen, Trennwänden und Gobelins. Auf einem Podium in der Mitte des Zimmers stand ein großes fünfeckiges Bett, dessen Laken und Decken leidenschaftlich zerwühlt schienen. Links öffnete sich die Wandvertäfelung auf eine Art Privatgarten, über dem ein sternklarer Himmel stand.
Es war wirklich wie im Zelt eines Hexenmeisters!
Er trat aus dem Lichtkegel, der durch die offene Flügeltür fiel, und spähte in den hinteren Teil der Suite. Das Bett war leer – so viel war durch den Gazevorhang zu erkennen. Plötzlich knallte die Tür hinter ihm zu, und er fuhr zusammen.
Wo war sie?
Dann sah er sie am anderen Ende des Zimmers zusammengerollt auf einem Sofa liegen. Sie hatte der Tür – und damit auch ihm – den Rücken zugewandt. Ihr Haar schien länger geworden und wirkte im Halbdunkel fast violett. Ihr Nachthemd war heruntergerutscht und gab den Blick auf eine schlanke Schulter preis. Das erregte ihn, und er war so freudig wie verwegen.
Wie oft hatte er diese Haut geküsst?
Ja, mit Küssen würde er sie wecken. Er würde ihre Schulter küssen und weinen. Sie würde erwachen und denken, er sei eine Traumgestalt. Nein, würde sie sagen, du kannst es nicht sein. Du bist doch tot!
Ich bin deinetwegen zurückgekehrt, Esmi – aus einer Welt des Todes und der Qualen.
Er stieg die paar Treppenstufen an der Tür herunter und hielt abrupt an, als sie sich unvermittelt kerzengerade aufrichtete. Sie sah sich erschrocken um und stierte ihn dann aus verweinten Augen ungläubig an.
Einen Moment lang kam sie ihm wie eine Fremde vor, und er sah sie wieder mit den jugendlich glühenden Augen, mit denen er sie in Sumna vor so vielen Jahren entdeckt hatte: ihre wilde Schönheit, ihre sommersprossigen Wangen, ihre vollen Lippen und makellosen Zähne.
Es folgte ein Moment atemloser Stille.
»Esmi…«, flüsterte er und vermochte nichts anderes zu sagen. Er hatte vergessen, wie schön sie war.
Einen Augenblick lang war sie reinweg entsetzt, als stünde ein Geist vor ihr. Dann aber stürmte sie auf kleinen, nackten Füßen zu ihm, als habe die Verzweiflung ihr Flügel verliehen.
Schon lagen sie einander hingerissen in den Armen. Wie klein und schlank sie ihm schien!
»Ach, Akka«, schluchzte sie, »du warst doch tot!«
»Nein, meine Süße«, murmelte er und atmete schaudernd aus.
»Akka! Ach, Akka!«
Er strich ihr mit zitternder Hand durchs Haar, das sich seidig anfühlte. Dazu ihr wunderbarer Geruch! »Sch, Esmi«, flüsterte er. »Alles wird gut. Wir sind wieder zusammen!«
Aber sie weinte nur noch mehr. »Du musst ihn retten, Achamian! Unbedingt!«
»Ihn retten? Esmi… Wie meinst du das?« Seine Umarmung wurde matt.
Sie machte sich von ihm los und trat erschrocken ein paar Schritte zurück, als hätte sie sich einer furchtbaren Wahrheit entsonnen.
»Kellhus«, sagte sie, und ihre Lippen zitterten.
Achamian versuchte, die Angst zurückzudrängen, die in ihm aufstieg. »Wie meinst du das, Esmi?«
Er spürte sich erbleichen.
»Verstehst du denn nicht? Sie töten ihn!«
»Kellhus? Ja… Natürlich werde ich tun, was ich kann. Aber bitte, Esmi, lass mich dich umarmen!«
»Du musst ihn retten! Du darfst nicht zulassen, dass sie ihn töten!«
Erneut flackerte Angst in ihm auf, diesmal unleugbar. Ich muss vernünftig sein. Sie hat so viel durchlitten wie ich. Sie ist nur nicht so stark.
»Ich lasse nicht zu, dass ihm jemand etwas antut – das schwöre ich. Aber bitte…«
Esmi… Was hast du getan?
Sie verzog das Gesicht und begann hemmungslos zu schluchzen. »Er ist… Er ist…«
Er hatte das seltsame Gefühl, mit leeren Lungen unter Wasser zu sein. »Ja, Esmi… Er ist der Kriegerprophet. Ich glaube das auch! Und ich werde alles tun, um ihn zu retten.«
»Nein, Achamian…«
Ihr Gesicht hatte plötzlich
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