Der Prinz von Atrithau
rückte ihm die Vorstellung geradezu auf den Leib, den eingeschlagenen Weg nicht gewählt, sondern Maithanets unerhörtes Angebot im Namen der Scharlachspitzen zurückgewiesen zu haben und den Heiligen Krieg nun aus der Ferne beobachten zu können. Diese Alternative war verwirkt, existierte also nicht mehr und war doch vorhanden wie eine leidenschaftliche Nacht im flehenden Blick eines Sklaven. Er spürte die Alternative überall: in Momenten nervösen Schweigens, in Blickwechseln, im unerbittlichen Zynismus von Iyokus und in der finsteren Miene von General Setpanares. Und der verschmähte Weg gaukelte ihm allerlei Verheißungen vor, während der Weg, für den er sich entschieden hatte, seiner mit Drohungen spottete.
Sich an einem Heiligen Krieg zu beteiligen! Eleäzaras hatte laufend mit Unwirklichkeiten zu tun – das brachte seine Aufgabe mit sich. Aber die Unwirklichkeit dieser Parteinahme und die Tatsache, dass sich die Scharlachspitzen mit einem gewaltigen Heer auf dem Weg nach Shimeh befanden, waren kaum zu verkraften. Der Gedanke daran brachte Ironie hervor – aber nicht die Art von Ironie, die kultivierte Menschen (zumal die Ainoni) pflegten, sondern eine Ironie, die sich endlos fortpflanzte und alle Entschlossenheit in schwankende Unschlüssigkeit verwandelte.
Hinzu kamen vermehrt Komplikationen: Das Haus Ikurei heckte etwas mit den Heiden aus; die Mandati spielten ein obskures gnostisches Spiel; alle Kundschafter der Scharlachspitzen in Sumna waren aufgeflogen und hingerichtet worden, obwohl sie doch recht sicher gewesen waren, ehe die Scharlachspitzen das Kaiserreich betreten hatten; und selbst der Tempelvorsteher Maithanet war in dunkle Machenschaften verstrickt.
Kein Wunder, dass Shimeh auf Eleäzaras lastete und jede Nacht einem Aufschub gleichkam.
Er seufzte, als Myasa, seine neue Lieblingssklavin, ihm den rechten Fuß mit warmem Öl massierte.
Egal, sagte er sich – Reue ist das Opium der Narren.
Er legte den Kopf zurück und sah dem Mädchen mit halb geschlossenen Augen bei der Arbeit zu. »Myasa«, sagte er leise und erwiderte ihr zurückhaltendes Lächeln. »Mmmyassssaaa…«
»Hanamanu Eleäzarassss«, seufzte sie zurück. Ganz schön kühn! Die anderen Sklaven schnappten vor Schreck nach Luft und begannen dann zu kichern. So ein schlimmes Mädchen!, dachte Eleäzaras und beugte sich vor, um sie in die Arme zu nehmen. Doch das Auftauchen eines schwarz gekleideten Türstehers, der auf dem Teppich niederkniete, hielt ihn zurück.
Offensichtlich wollte ihn jemand sprechen – vermutlich General Setpanares, der weitere Klagen über die Langsamkeit des Heers anstimmen würde, die in Wirklichkeit Klagen über die Trägheit der Scharlachspitzen waren. Die Ainoni würden also als Letzte in Asgilioch ankommen. Na und? Sollten die anderen doch warten.
»Was gibt’s?«, raunzte er.
Der junge Mann hob den Kopf. »Ein Bittsteller ist gekommen, Hochmeister.«
»Um diese Zeit? Wer?«
Der Türsteher zögerte. »Ein Magier vom Orden der Mysunsai, Hochmeister – ein gewisser Skalateas.«
Von den Mysunsai, diesen Huren?
»Was will er?«, fragte Eleäzaras.
Es rumorte in seinen Eingeweiden. Noch mehr Komplikationen.
»Das wollte er nicht verraten«, gab der Türsteher zurück. »Er sagt nur, er sei schnellstmöglich von Momemn hierher geritten, um Euch in einer sehr dringenden Angelegenheit zu sprechen.«
»Halt ihn kurz auf und schick ihn dann zu mir«, stieß Eleäzaras hervor.
Als der Türsteher verschwunden war, ließ der Hochmeister sich von seinen Leibsklaven die Füße trocknen und die Sandalen binden und entließ sie. Kaum war der letzte Sklave gegangen, wurde Skalateas von zwei bewaffneten Javreh hereingeführt.
»Verlasst uns«, sagte Eleäzaras zu den Kriegersklaven. Sie verbeugten sich tief und zogen sich zurück.
Von seinem Platz aus musterte er den Mönch des Söldnerordens, der nach Art der Nansur glatt rasiert war und das einfache Gewand eines Reisenden trug: Gamaschen, einen schlichten braunen Mantel und Ledersandalen. Er schien zu zittern, und das sollte er wohl auch. Schließlich stand er vor keinem Geringeren als dem Hochmeister der Scharlachspitzen.
»Das ist absolut unangebracht, mein Söldnerbruder«, sagte Eleäzaras. »Es gibt einen Dienstweg für diese Art Austausch.«
»Verzeihung, Hochmeister, aber es gibt keinen Dienstweg für das, was ich zu… tauschen habe.« Hastig fügte er hinzu: »Ich bin Peralog des Ordens der Mysunsai und bei der kaiserlichen Familie
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