Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
geradezu über die Teppiche. Seine roten Albinoaugen waren weit geöffnet und blickten gespannt drein. Eleäzaras erinnerte sich nicht, je solche Leidenschaft in Iyokus’ Miene gesehen zu haben – jedenfalls nicht seit dem verhängnisvollen Angriff der Cishaurim, der nun zehn Jahre zurücklag.
    Dem Angriff, der eine Kriegserklärung gewesen war.
    »Eli«, rief Iyokus und musterte Skalateas, der sich in seinen Fesseln wand. »Was ist das denn für einer?«
    Der Hochmeister trat geistesabwesend ein kleines Feuer auf dem Teppich aus. »Ein Geschenk für dich, alter Freund. Noch ein Rätsel, das du interpretieren sollst. Noch eine Bedrohung…«
    »Eine Bedrohung?«, rief Iyokus. »Was soll das heißen, Eli? Was geht hier vor?«
    Eleäzaras musterte den schreienden Mysunsai wie ein Gelehrter, der von der Arbeit abgelenkt wird.
    Was mach ich nun?
    »Dieser Ordensmann der Mandati«, stieß der Hochmeister hervor und wandte sich an Iyokus, »wo ist der jetzt?«
    »Ich nehme an, dass er mit dem Heer von Proyas unterwegs ist… Eli? Sag mal…«
    »Bring mir Drusas Achamian«, rief Eleäzaras. »Und wenn das nicht klappt, lass ihn töten.«
    Iyokus’ Miene verdüsterte sich.
    »So was erfordert Zeit und Planung… Immerhin ist er ein Mandati, Eli – um über das Risiko von Vergeltungsschlägen mal ganz zu schweigen… Liegen wir inzwischen etwa nicht nur mit den Cishaurim, sondern auch mit den Mandati im Krieg? Jedenfalls geschieht nichts, ehe ich nicht weiß, was hier los ist. Das ist mein gutes Recht!«
    Eleäzaras musterte Iyokus und hielt seinem verunsichernden Blick stand. Womöglich erstmals fühlte er sich angesichts der durchsichtigen Haut seines Geheimdienstchefs leidlich wohl. Iyokus? Du bist es doch, oder?
    »Das scheint dir sicher unvernünftig…«, begann er.
    »Unvernünftig? Verrückt kommt mir das vor!«
    »Vertrau mir, alter Freund. Die Notwendigkeit lässt letztlich fast alles vernünftig erscheinen.«
    »Warum weichst du mir aus?«, fragte Iyokus.
    »Geduld…«, entgegnete Eleäzaras und gewann mit dem ruhigen Atem auch die ihm geziemende Würde zurück. Das war die Gelegenheit, sich zu vergewissern. »Erst musst du dich meiner Verrücktheit fügen, Iyokus… Dann zähle ich dir die Gründe auf, die meine Verrücktheit vernünftig erscheinen lassen. Aber zunächst musst du mir erlauben, dein Gesicht zu betasten.«
    »Warum das denn?«, fragte Iyokus erstaunt.
    Wie aus weiter Ferne war das Jammern von Skalateas zu hören.
    »Ich muss mich vergewissern, dass du Knochen im Gesicht hast – richtige Knochen.«
     
     
    Seit er Momemn verlassen hatte, saß Achamian erstmals allein am Abendfeuer. Proyas gab ein Tempelfest für die anderen Hohen Herren, und bis auf die Sklaven und den Hexenmeister waren alle eingeladen.
    Also hatte Achamian beschlossen, ein eigenes Fest zu feiern. Er prostete der Sonne zu, die eben hinter den Unaras-Bergen versank, hob sein Glas auf Asgilioch und seine zerstörten Türme und trank auf das Lager des Heiligen Kriegs, dessen unzählige Feuer im Dunkeln glitzerten. Er trank, bis sein Kopf vornüber sank und seine Gedanken nur noch ein Chaos aus Argumenten, Bitten und Entschuldigungen waren.
    Inzwischen war ihm klar, dass es voreilig gewesen war, Kellhus von seinem Dilemma zu erzählen.
    Zwei Wochen waren seit seiner Beichte vergangen. Seither hatte das Heer aus Conriya die gepflasterte Via Sogia verlassen, um durch das Buschwerk und über die sandigen Hänge des Hochlands von Inunara zu marschieren. Wie zuvor war er mit Kellhus gewandert, hatte seine Fragen beantwortet und über seine Bemerkungen nachgedacht und war immer wieder über Herz und Verstand dieses Mannes erstaunt gewesen. Oberflächlich war alles wie vorher – nur dass sie inzwischen keiner befestigten Straße mehr folgten. Tatsächlich aber war nun alles anders.
    Er hatte gedacht, Kellhus reinen Wein einzuschenken, würde seine Last erleichtern und ihn von seiner Scham befreien. Wie hatte er so dumm sein können zu glauben, das Geheimhalten seines Dilemmas, nicht das Dilemma selbst hätte ihm all die Qual bereitet? Im Gegenteil: Die Geheimhaltung war vermutlich Balsam gewesen. Nun aber war es so, dass Achamian seine Qual bei jedem Blickwechsel mit Kellhus in den Augen des Freundes gespiegelt sah, bis er mitunter glaubte, nicht mehr atmen zu können. Den Dûnyain ins Vertrauen gezogen zu haben, hatte seine Last nicht erleichtert, sondern im Gegenteil verdoppelt.
    »Was«, hatte Kellhus danach gefragt, »werden die

Weitere Kostenlose Bücher