Der Prinz von Atrithau
schluchzte.
»Du hast getan, als wäre ich nicht da«, flüsterte sie.
»Was soll ich getan haben?«
»In der letzten Nacht in Momemn… Da bin ich gekommen und hab dein Lager beobachtet und deine Freunde, allerdings aus einem Versteck heraus, weil ich zu viel Angst hatte, dass ich… Aber du warst nicht da, Akka! Ich hab gewartet und gewartet. Dann sah ich dich und weinte vor Freude. Ich stand direkt vor dir und weinte! Ich hab die Arme ausgestreckt, und du…« Der schmerzliche Glanz in ihren Augen ließ nach und verlosch. Sie klang nun viel kälter als zuvor: »Du hast getan, als wäre ich nicht da.«
Wovon redete sie nur? Achamian presste die Handflächen an die Stirn und spürte den Drang, strafend um sich zu schlagen. Nach all dieser Zeit war sie endlich wieder da und entzog sich ihm doch… Er musste das unbedingt verstehen.
»Esmi«, sagte er langsam und versuchte, trotz des vielen Weins einigermaßen klar zu denken. »Wovon redest du da?«
»Woran hat’s gelegen, Akka?«, fragte sie streng und kalt. »War ich dir zu befleckt?«
»Nein, Esmi, ich…«
Sie lachte bitter. »Du willst mich also in dein Zelt nehmen, ja? Mich unter deinen Scheffel stellen…«
Er packte sie an den Schultern und rief: »Du willst mir was von Scheffeln erzählen, ja? Ausgerechnet du?«
Er bereute diesen Ausbruch sofort, da er seine Brutalität in ihrer ängstlichen Miene gespiegelt sah. Sie war sogar wie in Erwartung eines Hiebs zurückgezuckt. Nun erst schien er den blauen Fleck über ihrem linken Auge wahrzunehmen.
Wer hat das getan? Ich nicht. Ich nicht …
»Was sind wir nur für zwei?«, meinte er, ließ sie los und zog vorsichtig die Hände zurück. Sie waren beide geschlagen, beide Außenseiter.
»Tja, was sind wir für zwei?«, murmelte sie, und Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Ich kann das erklären, Esmi… Alles.«
Sie nickte und rieb sich die Schultern, wo er sie gepackt hatte. Draußen war ein Chor weiblicher Stimmen zu hören: Ihre Kolleginnen hatten – wie andere Huren – zu singen begonnen und versprachen weiche Schenkel für hartes Silber. Das Lagerfeuer funkelte durch die offenen Zeltklappen wie Gold in düsterem Wasser.
»Wenn ich dich damals nicht gesehen habe, Esmi, dann sicher nicht, weil ich mich deiner schämte! Wie denn auch? Wie könnte sich irgendwer – und erst recht ein Hexenmeister! – einer Frau wie dir schämen?«
Sie biss sich auf die Lippen und lächelte unter Tränen. »Warum denn dann?«
Achamian rollte sich auf die Seite, legte sich neben sie und richtete den Blick auf das dunkle Zeltdach.
»Weil ich sie ausgerechnet damals gefunden habe, Esmi… In jener Nacht hab ich die Rathgeber gefunden.«
»Danach erinnere ich mich an nichts mehr«, schloss er. »Ich weiß, dass ich den ganzen Weg vom Palastviertel zum Lager des Xinemus durch die Nacht gelaufen bin, aber ich erinnere mich an nichts davon.«
Die Worte waren nur so aus ihm herausgesprudelt und hatten die furchtbaren Ereignisse, die sich damals unter den Andiamin-Höhen zugetragen hatten, in grellen Farben beschrieben: die beispiellose Vorladung; die Begegnung mit Ikurei Xerius III.; die Befragung von Skeaös, seinem Obersten Berater; das Gesicht, das keines war und sich wie die feingliedrige Faust einer Frau geöffnet hatte; die furchtbare Hautverschwörung – er erzählte ihr von all dem, nur nicht von Kellhus.
Esmenet hatte sich beim Zuhören in seine Arme geschmiegt. Nun legte sie das Kinn auf seine Brust.
»Hat der Kaiser dir geglaubt?«
»Nein. Er denkt wohl, die Cishaurim stecken dahinter. Männer bevorzugen neue Geliebte und alte Feinde.«
»Und Atyersus? Was ist mit den Mandati?«
»Die sind so aufgeregt wie bestürzt, nehme ich an…« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Aber ich weiß es nicht. Seit meinem ersten Bericht an Nautzera hab ich keinen Kontakt mehr zu ihnen aufgenommen. Vermutlich halten sie mich inzwischen für tot… Ermordet wegen all dem, was ich weiß.«
»Also haben auch sie keinen Kontakt zu dir gesucht…«
»So herum läuft es ja auch nicht.«
»Stimmt«, gab sie zurück, rollte mit den Augen und grinste hämisch. »Wie ging das noch mal? Um durch Beschwörungsformeln Kontakt herzustellen, muss man nicht nur den Gesprächspartner kennen, sondern auch wissen, wo er sich aufhält. Und seit du unterwegs bist, wissen sie nicht, wo du bist.«
»Genau«, sagte er und machte sich auf die Frage gefasst, die unausweichlich folgen würde.
Sie sah ihn prüfend
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