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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Skeaös… entfaltete. »Bitte mich nicht, es dir zu erklären. Das kann ich nicht.«
    »Dann glaubt Ihr also, auch Prinz Kellhus ist ein Kundschafter der Cishaurim? Eine Art Kontaktperson?«
    »Irgendwas jedenfalls stimmt mit ihm nicht, Martemus. Was genau das ist, bleibt allerdings abzuwarten.«
    Das Staunen in der Miene des Generals wandelte sich plötzlich in Scharfsinn. »So wenig wie der Kaiser seid Ihr jemand, der leere Verdächtigungen hegt, Herr Oberbefehlshaber.«
    »Stimmt, Martemus. Doch anders als mein Onkel bin ich weise genug, mich zurückzuhalten und meine Feinde in dem Glauben zu wiegen, ihre Täuschung sei erfolgreich gewesen. Jemanden überwachen zu lassen, bedeutet alles andere als untätig zu bleiben.«
    »Genau darum geht es mir«, sagte Martemus. »Bestimmt habt Ihr Informanten gekauft. Bestimmt habt Ihr den Prinzen beobachten lassen… Was habt Ihr bisher herausgefunden?«
    »Nicht viel. Er teilt sich ein Zelt und anscheinend auch eine Frau mit dem Scylvendi – eine echte Schönheit, wie mir gesagt wurde. Seine Tage verbringt er mit einem Ordensmann namens Drusas Achamian, bei dem es sich übrigens um genau den Dummkopf handelt, den mein Onkel anheuerte, damit er den Verdacht der Kaiserlichen Ordensleute hinsichtlich Skeaös bestätigte. Das mag allerdings bloßer Zufall sein. Angeblich unterhalten sie sich über Geschichte und Philosophie. Er gehört wie der Scylvendi zum inneren Kreis von Proyas und übt – wie wohl der ganze Heilige Krieg heute Abend gesehen hat – seltsamen Einfluss auf Saubon aus. Im Übrigen scheinen die niederen Stände ihn für einen Propheten des armen Mannes zu halten – für einen Seher oder so.«
    »Und das nennt Ihr ›nicht viel‹?«, rief Martemus. »Eurer Beschreibung nach ist er ein mächtiger, ein erschreckend mächtiger Mann, falls er zu den Cishaurim gehört.«
    Conphas lächelte und beugte sich vor. »Möchtest du wissen, was ich denke?«
    »Natürlich.«
    »Ich denke, die Cishaurim haben ihn gesandt, damit er den Heiligen Krieg unterwandert und zerstört. Saubons blödsinniger Marsch und der Quatsch über das ›Bestrafen der Tempelritter‹ war einfach sein erster Versuch. Glaub mir, er wird einen zweiten Versuch machen. Er behext die Menschen irgendwie und spielt den Propheten…«
    Martemus kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Ich habe genau das Gegenteil gehört. Es heißt, er verweigert sich denen, die mehr aus ihm machen als er ist.«
    Conphas lachte. »Gibt es eine bessere Methode, sich als Prophet aufzuspielen? Menschen mögen keine Anmaßung, Martemus. Selbst unser Pöbel hat den feinen Geruchssinn der Wölfe, wenn es um Leute geht, die etwas Besonderes zu sein behaupten. Ich dagegen mag den würzigen Geruch der Unverschämtheit, denn ich finde ihn ehrlich.«
    Die Miene des Generals verdüsterte sich. »Warum erzählt Ihr mir das alles?«
    »Du bist wirklich von der schnellen Truppe, Martemus. Kein Wunder, dass ich dich so erfrischend finde.«
    »Kein Wunder«, wiederholte der General.
    Conphas langte nach der Karaffe und schenkte sich Wein nach. »Ich erzähle dir das, weil ich möchte, dass du in einem ganz anderen Krieg General spielst. Ziemlich gegen jede Vernunft bist du ein mächtiger Mann geworden. Falls Prinz Kellhus Anhänger um sich schart und dabei die Mächtigen umwirbt, dann dürftest du für ihn geradezu unwiderstehlich sein.«
    Martemus bekam eine gequälte Miene. »Ich soll also bei ihm Schüler spielen?«
    »Ja«, sagte Conphas. »Ich mag den Kerl einfach nicht.«
    »Warum lasst Ihr ihn dann nicht einfach beseitigen?«
    Wie konnte dieser Martemus nur so heillos zwischen Scharfsinn und Begriffsstutzigkeit schwanken?
    Der Oberbefehlshaber neigte seinen Kelch und beobachtete, wie der Rotwein hin und her schwappte. Sein Bouquet versetzte ihn einen Augenblick lang um Jahre zurück – bis in jene Tage, da er Geisel am prächtigen Hof des Skauras war. Er ließ den Blick noch mal zu der Standarte schweifen. Zu seiner süßen Konkubine.
    »Es ist seltsam«, sagte Conphas, »aber ich fühle mich jung.«

8. Kapitel
     
    MENGEDDA
     
     
     
    Alle Menschen sind bedeutender als tote Menschen.
     
    Sprichwort der Ainoni
     
     
    Jeder staatliche Monumentalbau wird in Ellen gemessen. Die Elle entspricht der Unterarmlänge des Aspektkaisers, die allerdings – wie es heißt – über jede Messung erhaben ist. Ich aber sage, der Unterarm des Aspektkaisers misst eine Elle, und alle Ellen bemessen sich nach den staatlichen

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