Der Prinz von Atrithau
gängigen abschätzigen Begriffs für alle, die keine Norsirai waren, »denken, wir Galeoth besäßen keine Finesse, werfen uns also das vor, was Frauen gemeinhin von Männern behaupten! Aber dieser Wettkampf zeigt, dass das nicht ganz wahr ist.«
Als wäre er durch eine Tür aus dem Nichts getreten, stand Sarcellus plötzlich zwischen ihnen. Er trug die gleichen weißen und goldenen Gewänder wie im Amphitheater. »Prinz«, sagte er und neigte den Kopf vor Kellhus.
Athjeäri wirbelte geradezu herum. »Was macht Ihr denn hier?«
Der Tempelritter lachte und sah den Grafen mit großen Augen an. »Das Gleiche wie Ihr, vermute ich – ich möchte mich mit Prinz Kellhus beraten.«
»Ihr seid uns gefolgt«, sagte Athjeäri.
»Also bitte…«, erwiderte das Wesen und tat beleidigt. »Ich wusste, dass ich ihn hier finde, wo er die Freigebigkeit« – er schaute skeptisch auf die feiernde Menge – »des Schlacht-Zelebranten genießt.«
Athjeäri warf Kellhus einen raschen Seitenblick zu. Seine Miene, sein Puls, sogar sein Atmen zeigten kaum verhohlene Abneigung. Kellhus merkte, dass Athjeäri Sarcellus für eingebildet und kraftlos hielt, für ein besonders abstoßendes Exemplar einer Sorte, die er vor langer Zeit zu verachten gelernt hatte. Wahrscheinlich war der echte Cutias Sarcellus genau das gewesen: ein wichtigtuerischer Adliger. Doch der echte Sarcellus war lange tot. Was hier statt seiner stand, war ein vorzüglich abgerichtetes Tier. Es hatte Sarcellus von seinem Platz gestoßen und alles übernommen, was er einmal war. Es hatte ihn sogar seines Todes beraubt.
Kein Mord konnte vollkommener sein.
»Na dann«, sagte der junge Graf, sah weg und wirkte besorgt.
»Erlaubt mir ein kurzes Gespräch mit dem Kommandierenden General der Tempelritter«, bat Kellhus.
Obwohl Athjeäri finster dreinblickte, war er einverstanden, Kellhus etwas später beim Zelt von Saubon zu treffen. »Dann geh mal schön«, sagte Sarcellus, als der Graf sich ungeduldig zwischen seinen johlenden Landsleuten durchschlug.
Ein spitzer Schrei drang durch die Luft. Kellhus sah den größeren Gandochkämpfer unter den Fäusten mehrerer Galeoth, die sich aus der Menge gelöst hatten, stolpern und zu Boden gehen. Aber das Schreien kam von seinem kleineren Gegner. Kellhus sah ihn ganz kurz durch viele Beine hindurch. Er hatte Brandblasen, und noch immer steckten rauchende Kohlestücke in seiner Schulter und im rechten Arm.
Andere kamen zur Verteidigung des größeren Mannes geeilt… Ein Messer blitzte auf. Blut spritzte über den festgetretenen Boden.
Kellhus sah kurz zu Sarcellus hinüber, der reglos dastand und ganz von dem Chaos in Beschlag genommen schien, das sich vor ihnen entfaltete. Seine Pupillen waren erweitert, er atmete langsamer, und sein Puls ging schneller.
Dieses Wesen hat unfreiwillige Reaktionen.
Kellhus bemerkte, dass die rechte Hand seines Begleiters in der Leistengegend verweilte, als kämpfte er gegen ein gewaltiges Bedürfnis nach Befriedigung an. Sein Daumen streichelte den Zeigefinger.
Ein neuer Schrei erklang.
Das Wesen namens Sarcellus zitterte geradezu vor Leidenschaft. Diese Wesen hungern, erkannte Kellhus. Sie haben Sehnsucht.
Von allen animalischen Reizen, die den Intellekt bestürmen und unterwerfen, ist keiner raffinierter und tiefgründiger als die Fleischeslust. Im einen oder anderen Maße wirkt sie in fast jedem Gedanken und ist Triebfeder fast jeder Handlung. Genau das machte Serwë so unschätzbar. Ohne sich dessen bewusst zu sein, war allen Männern am Feuer von Xinemus (mit Ausnahme des Scylvendi) intuitiv klar, dass sie Serwë am besten umwarben, indem sie Kellhus um den Bart gingen. Und sie mussten sie einfach umwerben.
Sarcellus hingegen sehnte sich deutlich genug nach einer anderen Art von Begegnung – einer Begegnung voller Leid und Gewalt. Wie die Sranc hungerten die Hautkundschafter ständig danach, sich an den Objekten ihrer Begierde mit dem Messer zu vergehen. Sie hatten die gleichen Schöpfer, die das Begehren in ihren Sklaven angeschirrt und es zugleich wie eine Speerspitze geschärft hatten.
Und diese Schöpfer waren die Rathgeber.
»Die Galeoth«, bemerkte Sarcellus nun mit lässigem Grinsen, »werden sich stets gegenseitig die Kehle durchschneiden und nur Mitglieder der eigenen Herde opfern.«
Eine Schimpftirade von Graf Anfirig hatte die Schlägerei beendet.
»Sie streben nach etwas, das sie nicht kennen«, sagte Kellhus und zitierte damit Inri Sejenus. »Also schreien sie
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