Der Prinzessinnenclub
von sieben oder acht Jahren steckte seinen Kopf ins Zimmer. »Sissi, hilfst du mir mal eben bei Mathe?«
»Du könntest zumindest erst mal Hallo sagen«, verlangte Sissi unwirsch. »Und anklopfen wäre auch nicht schlecht!«
Der Junge fuhr sich verlegen durchs Haar. Auch er hatte Sissis dichte rotbraune Locken. Anscheinend eine Art Familienmerkmal.
»Hi«, grüßte er Emma und mich ungeduldig. »Sissi, kommst du? Bitte!«
»Später, Ferdi«, sagte Sissi.
»Versprochen?« Ferdi schien nicht so leicht aufzugeben.
»Versprochen«, seufzte Sissi. »Und jetzt zisch ab, ja?«
»Wo sind denn die Zwillinge?«, erkundigte sich Emma. »Es sind ein Junge und ein Mädchen, oder? Sehen sie sich eigentlich ähnlich?«
»Ja, aber nicht allzu sehr.« Sissi warf einen schnellen Blick auf die Uhr. »Tilda und Mats sind noch im Kindergarten. Ich muss sie nachher abholen. Aber das hat noch Zeit.« Sie legte ein herzförmiges Kissen in ihren Schoß, stützte die Arme darauf und blickte uns erwartungsvoll an. »So, jetzt erzählt doch mal lieber, Prinzessinnen! - Was machen die guten Taten? Ich bin neugierig!«
Emma verdrehte die Augen. »Na, ihr habt ja selber gesehen, was ich bisher geleistet habe...! Peinlichkeitsfaktor tausend!«
»Aber du hast es gut gemeint mit dem Blinden«, verteidigte ich Emmas Aktion. »Und darauf kommt es an, finde ich! - Überleg mal, wie oft man liest, dass Menschen in Not einfach im Stich gelassen wurden.«
»Genau«, ereiferte sich Sissi. »Alle gaffen, aber keiner tut was! Schrecklich! - Da ist es doch viel besser, einmal zu oft einzugreifen!«
»Wenn ihr meint«, sagte Emma und sah schon etwas getröstet aus.
Sissi und ich nickten energisch. »Auf jeden Fall!«
Wir schwiegen einen Moment.
»Ich glaube, meine Mutter fragt sich langsam, was mit mir los ist...«, platzte Emma dann heraus. »Gestern habe ich ihre Dinkel-Möhren-Suppe stehen lassen. Zum allerersten Mal!«
»Wie ›zum allerersten Mal‹?«, echote Sissi verwirrt.
Emma zuckte die Achseln. »Na ja, Mama hat gefragt: Schmeckt’s dir? Und ich habe ›nein‹ geantwortet.« Sie sah uns bedeutungsvoll an. »Versteht ihr? Prinzessinnenregel Nr. 3: keine Lügen!«
»Also, ich kapiere nur Bahnhof«, sagte ich. »Tust du denn sonst immer so, als wenn dir alles schmeckt, was deine Mutter kocht?«
Emma nickte. »Bisher schon! Weil sie sich jeden Tag so viel Mühe macht! Mama holt alle Zutaten frisch vom Biomarkt und so. Ich hab immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas nicht mag.« Emma lächelte schief. »Ich hab ja sowieso dauernd ein schlechtes Gewissen.«
»Aber warum denn?«, fragte Sissi verwundert.
Emma zögerte. »Na ja, weil meine Eltern so viel für mich tun! Als ich letztes Jahr krank wurde, hat meine Mutter sogar aufgehört zu arbeiten. Seit meiner Krankheit erfüllen meine Eltern mir jeden Wunsch! Ihr könnt euch das nicht vorstellen: Zu Hause dreht sich alles immer nur um mich! Ständig gucken meine Eltern besorgt, wie es mir geht! Ob ich vielleicht blass bin oder erschöpft oder ich-weiß-nicht-was...« Emma brach ab.
Sissi und ich wechselten einen Blick. »Und du meinst, wenn du jetzt tapfer die Dinkel-Möhren-Suppe deiner Mutter verweigerst, ist das zumindest ein Anfang, dich gegen diese übermäßige Betüddelei zur Wehr zu setzen?«, fragte ich schließlich.
»Mit irgendwas muss ich mal anfangen!« Emma zog eine Grimasse, dann straffte sie die Schultern. »Schließlich bin ich jetzt eine Prinzessin, oder?«
»Oh ja, das bist du!«, bestätigte ich eifrig.
Sissi nickte bekräftigend. »Und bloß keine Sorge, Emma! Das mit den guten Taten kriegst du auch noch hin! So schnell lässt sich eine Prinzessin schließlich nicht entmutigen.«
Ich zögerte einen Moment, aber dann sagte ich es doch: »Allerdings haben Emma und ich es mit unseren guten Taten ja wirklich viel schwerer als du, Sissi!«
So, das hatte ich mir jetzt nicht verkneifen können! Irgendwie war ich nämlich immer noch ein bisschen sauer darüber, dass Sissi mit ihren regelmäßigen Kuchenlieferungen an diese nette Frau Blümlein fein raus war. So konnte sie jeden Tag eine »gute Tat« vorweisen, ohne sich großartig Gedanken machen zu müssen.
Sissi schnappte sich ein Samtkissen, holte aus und warf es mir an den Kopf. »Liebe Prinzessin Diana«, sagte sie dann gespreizt, »damit du mir endlich wieder gewogen bist, biete ich der holden Prinzessin Emma und dir untertänigst an, mich und meinen Kuchen morgen Nachmittag zu der Dame Blümlein zu
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