Der Prinzessinnenmörder
Plakette. Lutz stellte sich neben ihn.
»Was soll das?«
»Keine Ahnung. Ich lass dir einen Kaffee bringen.«
Lutz nickte und bedankte sich. Dann wandte er sich wieder der Leiche zu.
Manfred war immer noch bleich und aufgeregt. Denn die beruhigende Wirkung des Baldriantees wurde durch die Anwesenheit der hübschen Janette neutralisiert. Wallner fragte Manfred, ob er sich in der Lage sehe, Fragen zu beantworten. Manfred zögerte. Er hatte offenbar Angst, dass Janette dann weggehen würde. Wallner bat Janette zu bleiben und wies Manfred darauf hin, dass er der wichtigste Zeuge in dem Fall sei.
»Gekommen is er so um fünf. Da war’s schon dunkel. Hab mich gleich gewundert. Die Burschen machen ja sonst pünktlich Schluss. Da wennst amal anrufst um halb fünf, was glaubst, was die einem erzählen! Ein faules Volk …«
»Also, der Mann kam um fünf.« Wallner hatte mit seinem Großvater weniger Geduld als mit anderen Zeugen. Manfred nickte und griff mit betont zitternden Händen nach der Teetasse, was sofort Janette auf den Plan rief. Sie nahm ihm die Tasse aus der Hand und hob sie ihm an den Mund, damit er zwei Schlucke trinken konnte. Etwas schwächlicher als unbedingt nötig und mit leidendem Tremolo sagte Manfred: »Vergelt’s Gott. Dank Eahna recht schön.«
Wallner entfernte die Tasse genervt aus Manfreds Reichweite und stellte sie neben sich auf den Wohnzimmertisch.
»Kannst du beschreiben, wie er ausgesehen hat?«
»Mei, so mittelgroß. Eins achtundsiebzig ungefähr.«
»Was heißt ›ungefähr‹ eins achtundsiebzig?«
»Ja, nachgemessen hab ich nicht!«
»Das mein ich nicht. Was ich sagen will, ist: Man kann sagen ›ungefähr‹ eins achtzig oder ›ungefähr‹ eins siebzig. Aber ›ungefähr‹ eins achtundsiebzig …?«
»Is doch wurscht«, mischte sich Mike ein. »Was bist’n so beckmesserisch?«
»Gell! So richtig rechthaberisch! Da hörst es mal von andere Leut. Wenn ich so was sag, dann bild ich mir des ja bloß ein. Beckmesserisch!« Manfred deutete anerkennend auf Mike. »Sehr gut!«
Wallner warf Mike einen Blick zu, bei dem sich zartere Gemüter bekreuzigt hätten. Mike glotzte auf das Mobiltelefon in seiner Hand und murmelte: »Ihr kommt’s ja allein klar. Ich muss dann mal …« Er deutete wichtig auf das Handy und verließ den Raum. Unklar blieb, wen er mitten in der Nacht anrufen wollte. Auch Janette dachte, es sei Zeit zu gehen. Aber Wallner bedeutete ihr mit einer knappen Geste, dass sie noch gebraucht würde.
»Wie hat er sonst ausgesehen?«
»So a Baseballkapp’n hat er aufgehabt. Tief ins Gesicht gezogen. Und a Brille. Auch recht groß und a bissl getönt.«
»Also mit andern Worten: Vom Gesicht konnte man nichts erkennen.«
Manfred gab mit einem Schulterzucken zu verstehen, dass man das so sagen könne.
»Der Mann muss die Leiche ja irgendwie auf das Dach geschafft haben. Hast du gar nichts gemerkt?«
»Glaubst, des hätt ich net g’sagt?«
»Jetzt leg halt nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Was ich wissen will, ist: Wie erklärst du dir, dass du nichts gemerkt hast? Oder fragen wir anders: Wo warst du, als der Mann aufs Dach gestiegen ist?«
»Hier, am Fernseher. Ich hab doch schauen müssen, ob sich am Bild was ändert.«
»Das heißt, du hast die ganze Zeit auf den Fernseher gestarrt?«
»Genau. Des hat er mir ang’schafft.«
»Und? Hat sich was getan am Fernseher?«
»Na. War alles wunderbar.«
»Ist dir das nicht komisch vorgekommen?«
»Wieso? Willst mir irgendwas vorwerfen?«
»Nein. Vergiss es. Wo war der Wagen von dem Mann?«
»Hier im Hof. Er hat ’n reing’fahren.«
»Und vermutlich das Tor zugemacht.«
»Ja genau. Und des is mir komisch vorkemma. Weil des is ja a Schmarrn. Ich mach doch net ’s Tor zu, wenn ich eh gleich wieder rausfahren muss.«
»Was war das für ein Wagen?«
»A Transporter. Weiß mit am Aufdruck. Irgend a Mietwagenfirma.«
»Du weißt nicht zufällig …?«
»Nein, ich weiß es net. Ich tät’s ja sagen, wenn ich’s wissat.« Manfred wurde zusehends ungeduldig.
»Ist ja okay. Also, der Antennenmann ist mit dem Transporter einer Mietwagenfirma hier in den Hof gefahren und hat das Tor zugemacht.«
Manfred blickte nachdenklich ins Nichts. Dann geriet die Tasse mit dem Baldriantee in sein Blickfeld. Er sandte einen Leidensblick zu Janette. Die machte sich umgehend ans Werk und verabreichte Manfred den letzten Rest Tee aus der Tasse. Dann wischte sie ihm mit einem Papiertaschentuch den Mund ab. Manfred
Weitere Kostenlose Bücher