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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Händen zurecht.
    »Nein. Ist aber trotzdem wichtig.«
    Sie verharrten einen Augenblick und sahen sich in die Augen. Wallner lächelte, um sein Bedauern auszudrücken. Melanie Polcke sagte: »Schade.« Wallner sagte: »Ja.«
     
    Die Wagentür war festgefroren, und Wallner hatte Mühe, sie zu öffnen. Denn die Kälte biss sich an Wallners Beinen hoch, und er bekam Schüttelfrost. Zu Hause begrüßte Wallner kurz den uniformierten Kollegen, der vor dem Haus Wache schob, und lud ihn auf einen Tee ins Haus ein. Der Uniformierte lehnte dankend ab. Er habe seinen Dienst gerade erst begonnen. Manfred saß allein in der Küche und versuchte, ein Sudoku zu lösen. Sein Arzt hatte ihm gesagt, das würde ihn geistig fit halten. Manfred hatte Gulasch gekocht, Wallner allerdings früher erwartet. Das Gulasch war nur noch lauwarm. Unverständliches murmelnd, stellte Manfred die Herdplatte wieder an. Wallner sagte, es sei nicht so schlimm, dass das Gulasch nicht mehr heiß sei. Es schmecke bestimmt auch lauwarm. Er hatte jetzt Hunger und wollte essen. Aber Manfred ließ nicht mit sich reden. Wieso Wallner nicht anrufe, wenn er losfahre. Andere Leute würden das auch machen. Dazu seien Handys ja da. Wallner versprach, künftig anzurufen, damit das Essen warm sei, wenn er nach Hause komme.
    Das Gulasch war nicht schlecht. Allerdings ließ bei Manfred der Geschmackssinn altersbedingt nach. In das Essen war ihm etwas zu viel gekörnte Brühe geraten. Wallner aß trotzdem und lobte das Gulasch. Manfred sah seinem Enkel beim Essen zu.
    »Oft denk ich mir, wer macht dem Buben a Gulasch, wenn s’ mich amal eing’scharrt ham?« Er sah Wallner an, sehr wehmütig und mit viel Liebe, als säße er bereits auf einer Wolke im Paradies und schaute auf den Buben herab, der allein in seiner Küche essen musste. Und das war kein Gulasch vom Großvater, das er aß, sondern irgendwas, was gar nicht schmeckte, weil es ohne Liebe gemacht war.
    »Das ist noch lang hin«, sagte Wallner. Ihm war klar, dass er log. Manfred wurde immer schwächlicher, das Zittern nahm zu. Die Zeit war nah, da Manfred nicht mehr allein im Haus bleiben konnte.
    »Nein, nein. Irgendwann schaut er vorbei, der Boandlkramer. Und dann muss ich mit. Da hilft nix.« Manfred war nicht larmoyant. Eher nachdenklich und traurig über den Lauf der Welt. Er trank einen Schluck Bier aus seinem Krug, zitternd, aber mit der Routine dessen, der sich mit seinem Leiden arrangiert hat.
    »Das Mädel heut Nacht – wieso holt er die, und mich lasst er da, der Depp?«
    »Der Boandlkramer macht auch nur seinen Job. Der kriegt seine Liste. Und die tut er abarbeiten. Ich find, da kannst ihm keinen Vorwurf machen. Und ich glaub, du stehst da die nächste Zeit nicht drauf, auf der Liste.«
    Wallner hatte seinen Teller leer gegessen.
    »Magst noch was«, fragte Manfred und schob seine Hand mit unsteten Bewegungen in Richtung Wallners Teller. Wallner stand auf.
    »Ja. Aber ich hol’s mir selber. Is wirklich super heute.«
    Im Vorbeigehen legte Wallner kurz seine Hand auf Manfreds Schulter. Der griff flüchtig nach der entschwindenden Hand. Nicht zu lange. Das war nicht üblich hier im Haus, dass sich die Familienmitglieder lange berührten. Schon gar nicht die Männer. Wallner füllte sich den Teller mit großen, saftigen Fleischstücken in rotem, sämigem Sud, der anheimelnd nach Paprika und ein wenig zu stark nach gekörnter Brühe roch.
     
    Die Autobahn war leer und kalt. Er überholte einen Straßendienstwagen, der Salz streute. Das Salz knisterte beim Überholen unter den Kotflügeln. Weiter im Norden hatten sie mildere Temperaturen angesagt. Schon bei Frankfurt war die Außentemperaturanzeige über null Grad gestiegen. Aber gestreut wurde trotzdem, weil die Bodentemperaturen sich noch im Minusbereich bewegten. Er saß in angenehmer Höhe am Steuer des Transporters und dachte darüber nach, dass er zwei Menschen umgebracht hatte. Das Echo war überwältigend gewesen. Nach dem zweiten Mord hatten sich die Medien in ganz Europa des Themas angenommen. Vor allem die goldenen Kleider waren ein Detail, das der Presse gefiel. Das erste Boulevardblatt hatte noch etwas hölzern »Die Bestie vom Spitzingsee« getitelt. Mittlerweile hatte sich aber die Bezeichnung »Prinzessinnenmörder« durchgesetzt. Das Medienecho bereitete ihm nicht eigentlich Freude. Er nahm es mit einer Mischung aus Verbitterung und Genugtuung zur Kenntnis. Es reichte offenbar nicht, in Not zu sein, um gehört zu werden. Es reichte

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