Der Prinzessinnenmörder
musste zwei- bis dreimal in der Nacht auf die Toilette. Seine Blase war nicht mehr die beste. Wallner ließ seine Zimmertür immer einen Spaltbreit offen stehen. Falls etwas passierte mit Manfred, wollte er es mitbekommen. Wallner spürte einen Druck auf dem Magen. Das Atmen fiel ihm schwer. Er hatte Angst vor dem Morgen. Angst vor der nächsten Leiche, Angst, dass all die Spuren, die sie verfolgten, sie nicht weiterführten. Wallner versuchte, trotzdem zu schlafen. Er musste morgen bei Kräften sein. Aber der Schlaf kam nicht. Stattdessen immer wieder die gleichen Gedanken. Als er nach drei Stunden endlich in leichten Dämmerschlaf sank, läutete der Wecker.
Um halb acht war so gut wie jeder Mitarbeiter der SoKo im Büro. In der Nacht war keine weitere Leiche gefunden worden. Was nicht hieß, dass es keine gab. Aber immerhin. Es war keine Leiche gemeldet worden.
Im ganzen Polizeigebäude brannte noch Licht. Es wurde erst langsam hell. Die Gänge rochen nach Kaffee. Überall wurde telefoniert, auf Computern geschrieben und ausgedruckt. Es waren reichlich Daten eingetroffen. Spannung lag in der Luft. Jeder wusste, dass dieser Tag einen Durchbruch bei den Ermittlungen bringen konnte. Von den Internetbuchhändlern waren Kundendaten gekommen, die mehrere tausend Namen umfassten – alles Menschen, die Bücher zum Thema Rosenkreuzer bestellt hatten. Auch die Liste der Leute, die das Wochenende in Hütten und Hotels am Spitzingsee verbracht hatten, war mittlerweile fast vollständig. Die noch fehlenden Personen konnten notfalls nachträglich überprüft werden. Die beiden Listen mussten auf Übereinstimmungen hin verglichen werden. Da die Angaben nicht in verwertbaren Dateiformaten vorlagen, konnte man sie nicht einfach über ein Computerprogramm durchchecken. Es musste tatsächlich jeder Name einzeln verglichen werden. Einer las die Namen der Rosenkreuzerliebhaber vor, der Kollege mit der Liste der Spitzingseeleute sagte, ob sich der Name auch in seinen Unterlagen befand. Das ging relativ schnell. Aber bei über dreißigtausend Namen würde es trotzdem drei Tage dauern – es sei denn, man stieß vorher auf eine Übereinstimmung.
Mike hatte die Liste der Kennzeichen aller Kraftfahrzeuge bekommen, die auf die Firma SchreiberRent zugelassen waren. Bevor er sich an die Auswertung machen konnte, musste Mike zweimal grob fluchen. Das erste Mal, als er die an die E-Mail angehängte Datei nicht öffnen konnte, das zweite Mal – Lutz hatte ihm die Datei inzwischen aufgemacht –, als er ihren Inhalt las. Es waren tatsächlich nur die Kennzeichen der Fahrzeuge aufgelistet. Sonst nichts. Weder, um welchen Fahrzeugtyp es sich handelte, noch, wer den verdammten Wagen vorgestern gefahren hatte. Mike musste erneut mit Frau Jelinek telefonieren. Während sie organisierte, dass die verlangten Daten nachgeliefert wurden, verglich Mike die schon gelieferte Liste mit dem Kennzeichen, das der junge Mann angegeben hatte. Die ersten drei Buchstaben der Kennzeichen waren gleich, weil die Fahrzeuge alle im gleichen Landkreis angemeldet waren. Die restlichen Kombinationen von Buchstaben und Ziffern waren allerdings nicht so, dass sich eine Verwechslung aufgedrängt hätte.
»Gut. Was machen wir jetzt?«, fragte Wallner.
»Keine Ahnung. Scheiße, ich war mir absolut sicher.«
»Wir wissen nicht, welchen Wagen von SchreiberRent der Täter gefahren hat. Aber wir wissen, dass er einen gefahren hat. Und wir wissen, in welchem Zeitraum das war. Es sei denn, er hat auch die EDV von SchreiberRent manipuliert.«
»Hat er nicht«, sagte Mike. »Ich hab vorhin mit den Computerleuten in München gesprochen. Da war keiner im System von SchreiberRent.«
»Tut mir leid. Aber dann bleibt nur noch Möglichkeit drei.«
Mike sah Wallner fragend an.
»Wie schaffe ich es, mit dem Kennzeichen eines Fahrzeugs gesehen zu werden, das keinen Meter gefahren wurde? Die Betonung liegt auf Kennzeichen.«
»Verdammt, du hast wahrscheinlich recht.« Mike zerknüllte die Liste mit den Kennzeichen und warf sie in den Papierkorb. »Der hat einfach die Nummernschilder ausgetauscht.«
Wallner holte die Liste wieder aus dem Papierkorb, glättete die Blätter und reichte sie Mike.
»Wir wissen auf alle Fälle, dass er einen Wagen von SchreiberRent gefahren hat. Und wir kennen den Wagentyp.«
»Das heißt … ?«
»Wir müssen jeden überprüfen, der zum fraglichen Zeitpunkt einen entsprechenden Wagen gemietet hat.«
»Das können über hundert Leute
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