Der Prinzessinnenmörder
jedenfalls, als das von Manfred damals in seinen goldenen Jahren krachlederner Manneskraft. Wo er sich die Hörner abgestoßen hatte, der Großvater. Und wie er gestoßen hatte. So einen Hörnerabstoßer konnte es davor wie danach zwischen Wendelstein und Irschenberg unmöglich gegeben haben – wenn man Manfreds Erzählungen glauben wollte. Was keiner tat. Am wenigsten Wallner selbst.
Wallner verscheuchte die Gedanken an Marterpfähle aus seinem Kopf. Er war auf dem Weg nach Rottach, um Herrn Eltwanger, der aus Mailand zurückgekehrt war, zu seinen Erlebnissen als Bergsteiger zu befragen. Vielleicht tat sich ja doch irgendein Zusammenhang mit dem zweiten Opfer auf. Das Handy klingelte. Tina war am Apparat. Sie sagte, man habe unter den vielen Rosenkreuzer-Bestellern einen gefunden, der sich die Sachen nach Hausham an ein Postfach schicken lasse. Er sei auf der Liste der Einzige im Landkreis mit einem Postfach. Der Mieter des Postfachs heiße Robert Blandl und habe eine Buchhaltungsfirma betrieben. Als Privatmann bekomme man in der Regel kein Postfach. Man habe nachgeforscht. Die Firma sei schon vor Jahren liquidiert worden. Das Postfach werde aber immer noch genutzt und bezahlt, obwohl Herr Blandl in einem Pflegeheim lebe und kaum in der Lage sei, selbst zum Postamt zu gehen. Jedenfalls sei das Ganze äußerst suspekt. Tina fragte, wo sich Wallner im Augenblick befinde. Wallner sagte, er komme jetzt zu der Straße, die nach Tegernsee führe. Warum? Na ja, bei der Post hätten sie gesagt, das Fach werde meist um die Mittagszeit geleert. Wallner sah auf die Uhr im Wagen. Es war kurz nach zwölf.
Wallner parkte den Wagen gegenüber des Haushamer Postamtes und wartete. Er hatte nicht vor, hier länger als eine halbe Stunde zu verbringen. Das war schließlich kein Job für den Leiter einer Sonderkommission. Aber eine gewisse Spannung erfasste ihn doch. Warum lässt sich jemand esoterische Literatur an ein Postfach schicken, das er unter einem falschen Namen gemietet hat? Sein Handy klingelte. Es war wieder Tina.
»Wir haben mal gecheckt, was Herr Blandl sonst noch bestellt hat.«
»Lass hören.«
»Da hätten wir zum Beispiel: die satanische Bibel, das Buch Henoch, Greetings from Hell – Bekenntnisse eines Satanisten, Lucifer Rising und so weiter und so weiter. Nach was klingt das?«
»Vielleicht interessiert er sich … rein wissenschaftlich dafür.«
»Bestimmt. Hast du schon irgendwas?«
»Nein. Nichts Verdächtiges. Wann schickt ihr jemanden her?«
»Wir stellen gerade ein Observierungsteam zusammen. Halbe Stunde, dann kannst du weg.«
»Okay. Ich meld mich, wenn’s was gibt.«
Wallner legte auf und starrte auf den Eingang der Post. Eine alte Frau in Jogginghosen ging darauf zu. Sie war darauf bedacht, nicht auszurutschen, denn der Gehsteig war vereist, wenngleich man gestreut hatte. Dann passierte drei Minuten lang überhaupt nichts. Wallner begann, sich zu langweilen. Er suchte die Gegend ab. Sein Blick blieb an zwei Teenagern haften, die an einer Hausmauer standen und etwas in ihre Handys tippten. Es waren zwei Mädchen. Wallner dachte, in dem Alter könne man Besseres miteinander anfangen, als stumm nebeneinanderzustehen und SMS zu schreiben. Doch dann lehnte sich das eine Mädchen zu dem anderen hinüber und zeigte, was es geschrieben hatte. Darauf brach heiteres Gekicher aus. Wallner war beruhigt. Die Welt hatte sich nicht wirklich verändert. Fast wäre ihm übers Nachgrübeln und Teenagerbeobachten entgangen, dass jemand die Post betrat. Ein Mann, dem Gang und der Größe nach. Er trug eine schwarze Baseballkappe und eine große Sonnenbrille.
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18 . Kapitel
D er Unbekannte war bereits im Postgebäude verschwunden. Wallner überlegte, ob er im Wagen auf den Mann warten sollte. Schließlich griff er nach dem Türhebel und merkte, dass er feuchte Hände hatte. Er musste vernünftig bleiben. Es war nicht gesagt, dass dieser Mann überhaupt zu einem Postfach ging, und falls doch, zu welchem. Und selbst dann – dann hätte Wallner jemanden vor sich, der unter falschem Namen satanische Literatur bestellte, mehr nicht.
Wallner zog sich die Mütze tief in die Stirn und schlug den Kragen seiner Daunenjacke hoch, als er von der Straße aus durch die Glastür in den kleinen Postraum hineinsah. Die Postfächer waren gleich links neben der Eingangstür. Vor einem der Schließfächer – Wallner konnte nicht erkennen, welches es war, aber es war im Bereich des gesuchten Fachs – stand der Mann
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