Der Problemmann (German Edition)
ersten Morgen. Vor Anna breitete sich eine leicht hügelige Landschaft aus, die sich endlos den Horizont entlang zog. Sie glaubte, dass dieses Fleckchen Erde ausschließlich aus Weinbergen bestehen würde. Selten wurde das Bild durch das Aufragen von Häusern unterbrochen, die von einer Reihe von Zypressen umgeben waren. Sie konnte sogar den Ort erkennen, in dessen Mitte sich ein Kirchturm empor hob. Friedlichkeit legte sich über alles. Der Himmel war makellos und eine wärmende Sonne schien von ihm herab. Wie könnte man an diesem Ort jemals Probleme haben? Das fragte sie sich jeden Morgen, wenn sie nach einer unruhigen Nacht aufgestanden war und sich in die Sonne setzte und den Tag begrüßte. Inzwischen hatte sie gelernt, dass ein Leben in den Italienischen Weinbergen so einsam war, dass sie sogar glaubte verrückt zu werden. An Arbeit war überhaupt nicht zu denken. In den vergangenen zwei Wochen hatte sie nicht ein einziges Wort geschrieben und schon gar nicht ihr Skizzenbuch mit einer noch so kleinen Zeichnung gefüllt. Nachmittags setzte sie sich auf die Terrasse hinter dem Haus. Sie lag oberhalb ihres Zimmers und Anna konnte von hier den gleichen wundervollen Blick über die sanften Hügel genießen, wie auf der Bank von der aus sie jeden Morgen hoffte, dass dieser Tag nun endlich besser werden würde, als der vorherige. Auf der Terrasse stand ein riesenhafter Holztisch, dessen Ausmaße größer waren, als der große Tisch im Inneren. Anna fragte sich, wie man dieses Ungetüm wohl auf die Terrasse bekommen hatte. Diese Gedanken beschäftigten sie mehr, als die Erstellung ihres Buches. Sie hatte all ihre Utensilien auf dem Tisch ausgebreitet, schob Blei- und Buntstifte von links nach rechts, rückte sich das Papier zu recht, lehnte sich zurück in einen bequemen Holzstuhl, schloss die Augen, versuchte zu denken und sich von Geschichten in ihrem Kopf überfallen zu lassen. Aber nie passierte das, was sonst immer ganz leicht über sie gekommen war. Noch nie hatte sie lange über etwas nachdenken müssen. Sie hatte meist eine Eingebung, machte den ersten Entwurf einer Figur und im nächsten Moment überschlugen sich die Ideen in ihrem Kopf. Teilweise schaffte sie es kaum alles in ihr Notizbuch zu schreiben, um es nicht wieder zu vergessen. Was stimmte hier nicht? Lag es an ihrer Einsamkeit? Sollte sie ein Kinderbuch über ein armes kleines Würmchen schreiben, dass von seinen Eltern verlassen wurde? Nein, das wäre zu deprimierend. Ihre Bücher waren fröhlich und sollten den Kindern Heiterkeit vermitteln. Das Leben sollte schön, bunt und voller Abenteuer stecken. Aber wie sollte ihr hier ein Abenteuer einfallen? Das einzige Abenteuer was sie täglich erlebte, war die Fahrt in das winzige Dorf und den Kraftakt sich im Supermarkt mit Lebensmitteln einzudecken.
Zwei Wochen waren täglich im gleichen Rhythmus vergangen und Anna saß wie jeden Morgen in der Sonne, als sich plötzlich eine dicke graue Wolke davor schob und sie unmittelbar anfing zu frieren. Sie öffnete ihre Augen. Alles war auf einmal grau. Selbst das Grün an den Bäumen wirkte fahl. Als ob jemand einen Knopf gedrückt hatte, der verursachte allem die Farbe zu entziehen. Ein Regentropfen platschte ihr auf die Stirn, die sie runzelnd hob und in den bedrohlich wirkenden Himmel blickte. Noch bevor sie sich erheben konnte brach ein Gewitter über sie herein. Sie schaffte es nicht trocken im Haus anzukommen. Schnell entledigte sie sich ihres nassen T-Shirts. Blitz und Donner waren quasi eins und Anna fing an sich zu ängstigen. Generell mochte sie kein Gewitter, aber schon gar nicht, wenn sie mutterseelenallein auf der weiten Welt zu sein schien. Sie überlegte, ob es sinnvoll wäre unter diesen Umständen zu duschen. Ängstlich stand sie am Fenster und besah sich das Schauspiel was sich ihr bot. Vor ihrer Tür hatte sich ein kleiner reißender Bach entwickelt, der alles mit sich nahm, was nicht angewachsen war. Plötzlich hörte sie ein Geräusch im Haus, dass sie so bisher noch nicht gehört hatte. Nackt wie sie war stellten sich ihr sämtlichen Haare auf. Sie glaubte tatsächlich, dass selbst ihr Haupthaar sich nach oben bewegen würde. Was war das? Sicher nur von dem Gewitter, versuchte sie sich zu beruhigen. Irgendwo oben würde der Wind an einem Fensterladen rütteln. Anna beschloss vorerst nicht zu duschen und sich einen Kaffee zu kochen. Sie zog sich ein trockenes T-Shirt über, als dieses eigenartige Geräusch direkt über ihr zu hören
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