Der Problemmann (German Edition)
Dabei schrieb sie fleißig weiter, setzte den Stift nicht ab, schrieb und schrieb. Was die Zeilen ihres Notizbuches füllten hatte nichts mit einer Kindergeschichte zu tun, ganz im Gegenteil war es alles andere als jugendfrei. Nachdem sie einige Seiten gefüllt hatte legte sie erschöpft den Stift zur Seite, atmete tief durch, als wenn sie selbst gerade erlebt hatte, was ihre Finger auf das Papier gebracht hatten. In ihrer Phantasie hatte sie sich Christian hingegeben und wurde von ihm geliebt, wie noch von keinem Mann vor ihm. Alles was sie sich vorstellen konnte und immer gewünscht hatte, ließ sie ihn in ihrer Phantasie tun. Er war der weltbeste Liebhaber. Nicht nur das, er war liebevoll und zärtlich in seinen Äußerungen, umschmeichelte sie, überhäufte sie mit Superlativen, sie sei die wunderschönste Frau, die er je gesehen hätte und sie die Traumfrau schlecht hin. Noch in ihren Gedanken hinterher hängend, überlegte sie, ob sie schnell ins Haus gehen sollte, um sich Erleichterung zu verschaffen. Ihr Körper war in Aufruhr und wollte befriedigt werden. Unruhig rutschte sie hin und her. Gerade als sie sich erheben wollte, da sie es unmöglich länger aushalten konnte, sah sie ihn auf sich zu kommen. Was wollte der schon wieder? Langsam kam er immer dichter auf sie zu, ein Lächeln in seinem Gesicht. Sie dachte daran, wie er sie gerade in ihrer Vorstellung geliebt hatte und ein Gefühl des Wohlbehagens legte sich über sie. Hinter ihm verschwand die Sonne am Horizont. Plötzlich wirkte alles wie in einem Traum, wie in ihrer Vorstellung vom perfekten Glück. Als ob ihr jemand Margarine auf die Augen geschmiert hätte, sah sie alles mit einem verschwommen Weichzeichner. Seine Bewegungen waren fließend und sie glaubte er würde ihr gehören. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie seine Frau, die von ihm geliebt wurde und mit dem er den Rest seines Lebens verbringen wollte. Er würde sie umsorgen und sie bis ans Ende aller Tage glücklich machen. Dann stand er vor ihr und ein leichtes Lächeln zog über ihr Gesicht. Geradezu liebevoll sah sie ihn an. Für eine gefühlte Ewigkeit stand er vor ihr, sah auf sie herab und beide schwiegen. Sie genossen das Bild das sich ihnen bot, wenn es auch für jeden von ihnen ein anderes war. Für Christian erschien Anna wie ein Engel, der auf der Bank sitzend, auf ihn warten würde. Dabei war sie noch vor wenigen Stunden äußerst garstig zu ihm gewesen. So wie sie vor ihm saß, von der untergehenden Sonne warm angestrahlt, hätte er sich in sie verlieben können.
„Möchtest du später mit mir essen?“ fragte er und seine Stimme kam ihr plötzlich sehr viel weicher vor, „ich würde dich gern einladen. Im Ort gibt es ein schönes Restaurant.“
„Sehr gern, das ist wirklich nett von dir.“
„Wir könnten vorher auf der Terrasse etwas trinken wenn du magst.“
„Eine gute Idee. Ich packe hier nur schnell alles zusammen und mache mich frisch.“
„Dann bis gleich.“
Sein Lächeln verzauberte sie. Er legte den Kopf zur Seite und sah sie an. Seine blauen Augen funkelten in der untergehenden Sonne, die leicht sein Gesicht streifte. Keiner von beiden realisierte, was mit ihnen passierte. Christian ahnte nichts von ihrer Begierde, aber er konnte sehen, dass sie sich seit dem Nachmittag verändert hatte. Der Ausdruck in ihrem Gesicht war ein anderer. So viel weicher und auf gewisse Weise liebevoll. Er konnte sich nur schwer von diesem Anblick lösen. Gern wäre er für immer mit ihr in dieser Position verharrt, in der sie ihm so wundervoll erschien. Die Sonne führte erbarmungslos ihren Weg hinter den Horizont weiter fort, bis sie nicht mehr zu sehen war und es schlagartig kühler wurde. Das Licht veränderte sich, in wenigen Minuten würde es dunkel sein. Mit dem untergehen der Sonne kam leider auch die Realität zurück. Der Zauber war verflogen. Beide gaben sich einen Ruck. Anna stand von der Bank auf und begann ihre Sachen zusammen zu sammeln, während er sich umdrehte und zum Haus ging, ohne sie zu fragen, ob er ihr helfen könne.
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Während des Essens sprachen sie über Belanglosigkeiten. Sie waren sich fremd und doch sprachen sie miteinander, als würden sie sich ewig kennen und sich zufällig an diesem Ort wieder getroffen haben. Sie war beeindruckt von seinen Italienischkenntnissen. Für sie hörte es sich nach perfekt gesprochener Sprache an. Der Kellner war freundlich, aufmerksam und unterhielt sich sogar kurz mit Christian. Offensichtlich
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